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Das große Rasenstück
UMWELT | KUNSTGESCHICHTE (15.04.2006)
Von Janita Tönnissen
Naturwiese trifft auf High-tech-Halme: Vom berühmtesten Rasenstück der Kunstgeschichte zu dem heute wichtigsten Rasenstücken der Welt, dem Rasen der Fußballstadien. Unsere zweiteilige Reportage nimmt die beliebteste Monokultur im Lande unter die Lupe. Beginnen wir mit Dürer...

Albrecht Dürer

Das große Rasenstück (c) Albrecht Dürer

506 Jahre ist es her, dass ein Stück fränkischer Wiese Kunstgeschichte schrieb. Wie ein Jahr zuvor beim "Jungen Feldhasen" machte Albrecht Dürer als Wegbereiter der deutschen Renaissance mit Löwenzahn, Rispengras & Co ein alltägliches Motiv zum weltberühmten Kunstwerk. Damit war die "Naturstudie" geboren, die es wert fand auch Unscheinbares, Beiläufiges zu portraitieren. Das war vor fünfhundert Jahren in der Malerei nicht weniger als eine Revolution. "Das Aquarell ist ein Wunder von botanischer Genauigkeit", schwärmte der Kunsthistoriker Moritz Thausing, Verfasser einer Dürer-Monographie, Ende des 19. Jahrhunderts.

Zugegeben, den privaten Samstagsmäher überkommt ein leichtes Grauen beim Anblick des dicken, fetten Unkrauts, das sich da in dem "Großen Rasenstück" tummelt. Denn sowohl der opulente Breitwegerich wie der gerade verblühte Löwenzahn sind keineswegs gern gesehene Gäste in Vorgärten und auf Fußballrasen. Rasen, das ist immer auch eine Visitenkarte. Und deshalb ein Thema, dem man mit angemessenem Ernst begegnen sollte.

Doch was ist Rasen überhaupt?

Rasen besteht immer aus einer Kombination verschiedener Arten weltweit verbreiteter Süßgräser (Poaceae). In Deutschland gibt es 381 vom Bundessortenamt für Rasennutzung eingetragene Zuchtsorten, die in einer ebensolchen Vielzahl von Mischungen an die entsprechenden Bedarfe angepasst werden. Die wesentlichen Zuchtziele für Rasengräser sind dichter Wuchs, gute Regenerationskraft, eine ganzjährig grüne Farbe und Krankheitsresistenz. Die Universität Hohenheim betreibt sogar eine Forschungsstelle "Rasen".

Und seit wann gibt es Rasen?

Bereits der römische Schriftsteller Plinius beschrieb Rasen als gestalterisches Element von Gärten in der Antike. In Europa bezog man Rasenflächen schon im Mittelalter in die Gestaltung von Parkanlagen ein. Die erste Methode zur gezielten Anlage von Rasenflächen war das Auslegen von Rasensonden. Das wurde schon im 18. Jahrhundert so gemacht. Heute nennt sich dies die Rollrasenmethode (also keine neumodische amerikanische Erfindung). Später setzte sich das Ausbringen von Heuresten, der sogenannten "Heubodenspreu" durch. Man fegte die abgefallenen Samen des Heus vom Heuboden zusammen und säte diese im Frühjahr aus. An eine geregelte Saatgutproduktion war noch lange nicht zu denken. Als 1840 Deutschlands erster Rasenmäher die Sense ablöste, wurde die Rasenpflege wesentlich vereinfacht, und die Rasenflächen nahmen zu.

Seit wann wird Rasen in Deutschland gezüchtet?

Der Durchbruch der Rasen-Aussaat und damit auch der gezielten Züchtung fand in Deutschland erst Mitte des 19. Jahrhunderts statt. Der damalige "Berliner Tiergarten" sollte im Auftrag von König Friedrich Wilhelm III vom königlichen Jagdrevier zum Landschaftspark umgestaltet werden. Es galt, gewaltige Flächen zu begrünen. Mit der alten Rasensondenmethode war das jedoch nicht möglich. So nutzte Peter Lenné, der beauftragte Architekt, als erster für eine großflächige Rasensaat die Heubodenspreu zur Aussaat. Von der deutschen Fachwelt wurde die Anlage skeptisch betrachtet, sie war jedoch ein voller Erfolg und die Bezeichnung "Berliner Tiergarten" für eine Rasensaatgutmischung ist nach wie vor ein stehender Begriff.

Dürers Rasenstück bildet einen reizvollen Kontrast zu den High-Tech-Rasenstücken der WM-Stadien. Fußball-Rasen ist nicht nur ein Kultgegenstand, sondern auch Objekt wissenschaftlicher Forschung. Lesen Sie mehr in der nächsten iley-Ausgabe!
   



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