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Aufklärung leisten und die Menschenrechte achten
GESELLSCHAFT | ISLAM IN DEUTSCHLAND (02.01.2013)
Von Gero Ambrosius
Der Islam gehört zu Deutschland. Behandeln wir ihn auch so, fordert unser Autor. Es sollten jene liberalen Muslime unterstützt werden, die sich für Aufklärung und Menschenrechte einsetzen.

iley.de

Diese Ditib-Moschee ist ein Teil von Münster. (c) iley.de

Der Islam ist ein Teil von Deutschland. Ob integriert oder nicht, ob Bereicherung oder Belastung, wie gut oder schlecht man das findet - mit der Zuwanderung und dem Sesshaftwerden von inzwischen mehr als vier Millionen Muslimen ist der Islam in Deutschland Realität geworden. Entweder wir tun weiter so, als ob er etwas Fremdes ist, was hier nicht hin gehört und irgendwann vorübergeht, messen weiter mit unterschiedlichen Maßstäben und tun so, als ginge er uns nichts an. Oder wir akzeptieren die Realität und ziehen die nötige Konsequenz, Islam und Muslime selbstverständlich nach denselben Maßstäben zu bewerten, die für alle gelten und die man auch auf alle anderen Gruppen und Anschauungen in unserer Gesellschaft anwendet.

Soll er ein Fremdkörper bleiben, können wir ihn in Ruhe lassen

Wenn wir uns für Ersteres entscheiden, können wir weiter Muslime wie unmündige Kinder behandeln, die auf ihrem Weg in die Zivilisation "noch nicht so weit sind" und die "gerade Phasen durchmachen, die unsere Kultur auch durchgemacht" habe. Dann ist es zwar immer noch unmenschlich, aber konsequent, wenn wir weiterhin großzügig über Frauenunterdrückung, und Ausgrenzung von Glaubensabweichlern hinwegsehen. Dann können wir weiter akzeptieren, dass islamisch-konservative Haltungen eine Vermischung der Muslime mit der autochthonen Bevölkerung verhindern, dass im Islam außerehelicher Geschlechtsverkehr verboten ist und schon harmlose Liebschaften unter Jugendlichen brandgefährlich werden können. Und Hinrichtungen von Homosexuellen und Apostaten, Christenverfolgung und Körperstrafen in islamischen Ländern sind dann erst recht weit weg und können mit dem lapidaren Einwand weggewischt werden, dass "wir ja auch unsere Hexenverbrennungen hatten" - so als ob das eine Erfahrung wäre, die man niemandem vorenthalten sollte. Dann können wir weiter eine arrogante Haltung einnehmen, die die Muslime zwar wohlwollend, aber doch von oben herab betrachtet. Und wir können ihnen ihr Refugium in der Multikulturellen Gesellschaft lassen, in welchem unsere hohen Ansprüche, etwa an die Gleichberechtigung der Geschlechter, nun mal nicht gelten.
Kritisiert und interveniert wird erst dann, wenn die Grenzen des Strafgesetzbuchs erreicht werden - oft reagieren wir selbst dann noch verständnisvoll - und ansonsten reden wir uns den Ist-Zustand schön und verlegen uns auf die Hoffnung, dass irgendwann schon Reformation und Aufklärung auch über den Islam kommen werden, so als ob das ein Naturgesetz wäre. Dann reichen uns vordergründige Bekenntnisse zum Grundgesetz und wir schauen lieber nicht weiter hinter die Fassaden.

Gefördert werden die Falschen

Und wo besonders kurzsichtige Geister am Werk sind, wie etwa an der Uni Münster, da hofft man auf die Aufklärung und bekämpft gleichzeitig diejenigen, die sie einfordern. Ausgerechnet von den Konservativen des organisierten Islam werden dann Impulse zur Modernisierung erwartet und ihnen wird ohne Gegenleistung der breiteste Raum zu Verfügung gestellt, um ihre Vorstellungen durch die Ausbildung von Religionslehrern in die Klassenzimmer zu multiplizieren. Die kritischen Stimmen von muslimischen Oppositionellen hingegen, die auf der Grundlage von Aufklärung und Menschenrechten argumentieren, werden ignoriert, diffamiert und ausgegrenzt, gerade so, als wäre die Reformation ein Verdienst des Papstes.

Es ist hochgradig unmenschlich, einfach in einem Teil unserer Bevölkerung zu akzeptieren, wenn Geschlechtertrennung praktiziert und Sexualität sanktioniert wird, wenn Mädchen und Frauen vom sozialen Leben ausgeschlossen werden, wenn junge Menschen in Ehen gezwungen werden, wenn Frauen ihre Männer um Erlaubnis fragen müssen, bevor sie das Haus verlassen, wenn Andersdenken mit sozialem Ausschluss bestraft wird. Nur die äußersten, strafrechtlich relevanten Spitzen wie sogenannte "Ehrenmorde" oder Teilamputation weiblicher Genitalien zu ächten reicht nicht. Unrecht findet schon weit unterhalb dessen statt. Es ist schlicht unmenschlich, die Leute in diesem Teil der Gesellschaft allein zu lassen und so zu tun, als gälten Menschenrechte am Ende nur für Bio-Deutsche. Und wie asozial ist es eigentlich, in Studentenkreisen Debatten über die Feinheiten geschlechtergerechter Sprache zu führen und gleichzeitig muslimischstämmige Mit-Studentinnen, die mit Morddrohungen konfrontiert werden, nur weil sie sich wie freie Individuen verhalten, die Unterstützung zu verweigern?

Integration gelingt nicht ohne Kritik

Wenn wir uns dafür entscheiden, die Realität zu akzeptieren, dass Muslime auf lange Sicht in Deutschland leben, dann sollten wir beginnen, sie wie Erwachsene zu behandeln. Wenn die Grundrechte und die Freiheiten des Individuums in unserem Koordinatensystem noch das Zentrum bilden, dann sollten wir diese Werte selbstverständlich allen Mitgliedern dieser Gesellschaft gegenüber vertreten und von allen in derselben Weise einfordern. Dann sollten wir jene unterstützen, die sich etwa für die Gleichberechtigung der Geschlechter einsetzen, insbesondere wenn sie aus der Gruppe der Muslime kommen, statt uns bereitwillig blenden zu lassen von vordergründigen Bekenntnissen zum Grundgesetz. Wir würden nicht kritiklos diejenigen, die die Diskursherrschaft in diesem Teil der Gesellschaft ausüben, dabei unterstützen, sich in den Strukturen unserer Gesellschaft zu etablieren, sondern zuerst Selbstkritik und Veränderungen einfordern.
Wenn unsere ständige Forderung, Rassismus zu bekämpfen, ernst gemeint ist, dann sollten wir den Islam endlich so behandeln, wie wir ihn behandeln würden, wenn er aus Deutschland wäre und blond daherkäme - nämlich unvoreingenommen. Dann würden wir selbstverständlich Kritik üben, würden die unzähligen Missstände thematisieren und auch danach fragen, inwieweit deren Ursachen in religiösen Überzeugungen liegen und wir würden an den entscheidenden Stellen auf Veränderungen bestehen. Und das würden wir auch deshalb tun, weil der Islam in Europa kein quantitativ unbedeutendes Randphänomen ist, das man vernachlässigen könnte, sondern eine wachsende Größe. Es scheint nicht besonders klug zu sein, eine so bedeutende und dynamische Minderheit einfach unkritisiert nach ihren eigenen Regeln leben zu lassen und sie dabei sogar noch zu fördern. Wenn der Islam zu Deutschland gehört, dann behandeln wir ihn auch so!
   






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