Recht 2.0
GESELLSCHAFT | INTERNET UND GESETZ (15.02.2008)
Von Sarah Khalil | |
Damit Bloggen nicht teuer wird - eine kleine Reise durch den Paragraphen-Dschungel im Internet. Bereits 130 000 Deutsche haben sich den Traum eines eigenen Blogs erfüllt. Es ist ja auch verblüffend einfach: Man muss nur ein paar Texte schreiben und sie mit Fotos versehen, die man aus dem Internet zieht, eventuell einen Live-Stream hinzufügen und das Ganze mit den Lieblingshits garnieren, die von ein paar gebrannten CDs stammen. Dann ist die Seite fertig – und man selbst mit mindestens einem Bein im Gefängnis, weil man gegen Urheber- und andere Rechte verstoßen hat. Neben dem Markenrecht müssen Blogger Namens-, Urheber- und Persönlichkeitsrechte beachten. Wie schnell ein Betreiber gegen eines dieser Gesetze verstößt, erklärt die Medienrechtlerin Laura Dierking. Für alles, was man im Web 2.0 tun kann, benötigt man eine Domain. Um von möglichst vielen Menschen gefunden zu werden, könnten vermeintlich schlaue Nutzer versuchen, von beliebten Angeboten zu profitieren. Denkbar wäre etwa, ein Weblog "bildlog.de" zu nennen, um alle abzufangen, die das beliebte bildblog.de besuchen wollten. Denn nicht erst, wer Inhalte auf eine „Tippfehler-Domain“ schreibt und die Leute damit abfängt, verletzt Markenrechte. Dass der Axel-Springer-Verlag als Inhaber der Wortmarke "Bild" eine Seite wie http://www.bildblog.de nicht unter markenrechtlichen Gesichtspunkten angreift, ist wohl eine unternehmensstrategische Enscheidung des Verlages. Nur persönliche Schöpfungen sind geschützt Nicht nur Inhalte, sondern auch das Design einer Website könnte urheberrechtlich geschützt sein. Nun sehen die meisten Websites nicht so aus, als seien sie von Künstlern gestaltet. Also bleibt die Frage: Wo hört das Kunstwerk auf und wo fängt das Allgemeingut an? „Entscheidend ist, dass nur solche Werke geschützt sind, die persönliche geistige Schöpfungen sind“, erläutert Dierking. Eine Website, die einfach nur einen blauen Hintergrund hat und eine Standardschrift benutzt, ist ganz hübsch, aber nicht schützenswert. So entschied sich das Landgericht Köln in einem Fall zum Webseitendesign gegen urheberrechtliche Schutzfähigkeit. Wie er geschrieben wird, wissen wir nun schon mal. (c) Claudia Hautumm/pixelio.de Es muss gar nicht um Kunst gehen, um rechtlich kritisch zu werden. „Wenn Sie also ein paar Fotos in das Blog stellen – so ganz einfache, verwackelte, die sie selbst gemacht haben. Die können ja wohl nicht urheberrechtlich geschützt sein, oder?“ Falsch, denn an diesen Bildern bestehen Leistungsschutzrechte, die letztlich wie Urheberrechte zu behandeln sind. Außerdem hat derjenige, der auf dem Foto zu sehen ist, ein Recht am eigenen Bild. Um das Foto zu verwenden, benötigt man die – am besten schriftliche – Erlaubnis desjenigen, der abgebildet ist. Das beliebteste Beispiel für übertragene Texte sind wohl Wikipedia-Einträge, die per „Copy-Paste“ auf die eigene Website übertragen werden. Und schon hat man gegen das Urheberrecht verstoßen. „Doch ganz ohne Verweise würde die Idee des Netzes ad absurdum geführt“, erklärt Laura Dierking. Deshalb gibt es verschiedene Möglichkeiten des erlaubten Verweises: Einmal kann sich der Schreiber an das klassische Zitatrecht halten (Bsp: vgl. iley.de 5/2006). Einfacher ist natürlich der Hyperlink, bei dem sich ein neues Fenster öffnet. „Wenn hierbei für jeden erkennbar ein anderer hinter dem Angebot steht, bin ich auch haftungstechnisch auf der sicheren Seite.“ Die dritte, nicht optimale Lösung ist der Inline-Link. Denn dann wird dem Nutzer nicht sofort klar, von wem das Angebot tatsächlich stammt. Ohne eine weitere Kennzeichnung des tatsächlichen Urhebers wird dann gegen das Recht auf Namensnennung verstoßen. Wer das Gesagte eines andereren widergibt, sollte dabei nicht den Sinn des ursprünglich Gesagten verändern. Andernfalls wäre das ein Verstoß gegen das Recht am eigenen Wort. Da ist das Netz nicht anders als ein traditionelles Medium. „Am besten man versichert sich noch einmal bei einem Interviewpartner und lässt einen Text autorisieren“, rät Dierking. „Nutzen Sie Musik von Künstlern mit einer Creative Commons-Licence“ Nun hat die Website einen Namen, ist schön bunt, und Fotos gibt es auch. Fehlt nur noch die Musik. Mit ihr kommt allerdings die GEMA ins Spiel, die die Rechte der Sänger verwaltet. Auch diese hat sich inzwischen auf das Podcast eingestellt und bietet spezielle Tarife für Musik in Podcasts. „Ich kenne aber niemanden, der die nutzt“, gibt Dierking zu. Kein Wunder: Die Leistungsschutzrechte – etwa der Sänger und Tonträgerhersteller – sind im Tarif nicht drin. Das führt zu der paradoxen Situation, dass man die Rechte an der Musik kaufen kann, aber selbst singen müsste. Ob das dem Podcast zugute kommt, darf in den meisten Fällen bezweifelt werden. Auch direkte Verhandlungen mit der Plattenfirma dürften sich schwierig gestalten. Daher rät Dierking: „Nutzen Sie Musik von Künstlern mit einer Creative Commons-Licence“. Die darf ich abspielen, sofern ich einige Einschränkungen beachte – also zum Beispiel die Lieder nicht zu kommerziellen Zwecken spiele und den Namen der Band nenne. Auch dieser Tipp hat einen kleinen Haken. Sobald Künstler berühmt werden, wie zum Beispiel die Band „Kid Kills Rock“, lassen sie ihre Rechte meist nachträglich bei der GEMA schützen. Liegen die Rechte erst einmal bei der GEMA, dürfen dann alle Lieder von „Kid Kills Rock“ nur noch mit GEMA-Lizenz gespielt werden. Impressumspflicht: „Die arme Socke, deren Rechte da verletzt werden, soll eine Chance haben, sich bei jemandem zu beschweren“ Da sich kaum jemand diesen Wust an Gesetzen merken kann, ist die Impressumspflicht wohl eine der wichtigsten Vorgaben des Internetrechts. „Die arme Socke, deren Rechte da verletzt werden, soll eine Chance haben, sich bei jemandem zu beschweren“, so Dierking. Für eine Website ist diese Pflicht noch recht einfach zu realisieren. Komplizierter wird es beim Podcast. Die eleganteste Lösung: Das Impressum einblenden, sobald der Podcast startet, rät Dierking. Im Fernsehen funktioniert es ja auch nicht anders. Wie immer, wenn es um Geld geht, stehen auch hier die Großkonzerne mit riesigen Rechtsabteilungen besser da, als irgendein freier Journalist. Können Erstere mit teuren Klagen aufwarten, müssen Letztere fast ohne Mittel kämpfen und sehen, wie ihre Werke kostenlos überall im Netz stehen. „Alle Rechte einzuhalten, ist einfach zu viel für einen einzelnen Blogger“ Diese Beispiele zeigen: „Alle Rechte einzuhalten, ist einfach zu viel für einen einzelnen Blogger“, resümiert Laura Dierking. Zumal das Internet ja eigentlich die Hürden für die Medienproduktion verringern und nicht erhöhen wollte. Und wenn ein einzelner Anbieter das Ganze einfach ignoriert? Dann droht zum Beispiel eine Abmahnung: „Das Schlimmste, was Sie dann machen können, ist nichts zu tun“, warnt Dierking. Sie rät, zuerst zu prüfen, ob die Abmahnung gerechtfertigt ist. Ist sie das, sollte man sofort eine Unterlassungserklärung abgeben. Im besten Fall reicht das. Leider gibt es immer wieder Rechtsanwälte, die Abmahnungen gezielt als Geschäftsmodell nutzen. In so einem Fall empfiehlt es sich, zunächst einen Nachweis über die Rechtsverletzung einzufordern. Hat man Glück, so erweist sich die massenhafte Abmahnung damit als unökonomisch und man hört nie wieder etwas. Ist die Abmahnung jedoch ungerechtfertigt, kann man eventuell Gegenmaßnahmen ankündigen – am besten fragt man dazu aber einen Rechtsanwalt. „Eine vorgeschaltete Gerichtsbarkeit für das Web 2.0 wäre sinnvoll“ Bei dieser Gesetzesflut wundert es, dass die Gerichte nicht schon längst wegen Prozessen gegen Blogger lahm gelegt sind. Das allerdings könnte drohen, wenn Blogs künftig an Bedeutung gewinnen und besser überwacht werden. Daher glaubt Laura Dierking, dass längst nicht jeder Rechtsverstoß im Internet vor Gericht verhandelt werden sollte: „Eine vorgeschaltete Gerichtsbarkeit für das Web 2.0 wäre sinnvoll. Es könnte ähnlich funktionieren wie ein Schiedsgericht. Sie ist bei Weitem nicht die einzige, die so denkt. Rechtsexperten schlagen vor, Abmahnungen gegen ahnungslose Privatblogger künftig auf maximal 50 Euro zu begrenzen... |