Ocker sondiert Schwarz-Gelb und Rot-Grün
KULTUR | GESEHEN: „Isch kandidiere“ (22.09.2009)
Von Benjamin Glöckner | |
Horst Schlämmer als Bundeskanzler? So abwegig das klingt, aber einer Umfrage zufolge würden unglaubliche 18 Prozent der Bundesbürger Kerkelings Kunstfigur gerne als deutschen Regierungschef sehen. Der "Isch hab Rücken"-Mann scheint zum personifizierten Protest gegen die etablierten Politiker geworden zu sein. Pünktlich zur Bundestagswahl kommt dann auch Horst Schlämmers erster Film in die Kinos. Doch anstatt die Politiker aus der Reserve zu locken oder den Medienzirkus, der sich nicht zuletzt beim TV-Duell Merkel gegen Steinmeier von seiner schlimmsten Seite zeigte, in einer Borat ähnlichen Aufmachung intelligent zu hinterfragen, verliert sich "Isch kandidiere!" in einer Aneinanderreihung von pseudo-dokumentarischen Filmschnipseln und unterirdisch gespielten Filmsequenzen. Dazu paast, dass die Geschichte komplett ohne Spannungsbogen auskommt. Horst Schlämmer gründet die HSP-Partei Horst Schlämmer (Hape Kerkeling) ist der stellvertretende Chefredakteur des Grevenbroicher Tagblatts. Doch von diesem Job hat er die Schnauze voll. Ständig wird er von seinem Vorgesetzten gemobbt und die immer gleichen Geschichten und Personen langweilen ihn. Bei einem Interview mit der CDU-Bürgermeisterkandidatin von Grevenbroich kommt ihm dann der rettende Gedanke: "Isch kandidiere! Isch will Bundeskanzler werden, Schätzelein!" (c) Filmverleih An Schlämmers Seite kämpfen Fotopraktikant Ulle (Simon Gosejohann) und Schauspielerin Alexandra Kamp (als sie selbst) um die Stimmen der Wähler. Dabei trifft er auch immer wieder auf Politiker der anderen Parteien (z. B. Jürgen Rüttgers, Lale Akgün, Claudia Roth, Cem Özdemir) und verwickelt sie in mehr oder weniger lustige Diskussionen um die Zukunft Deutschlands. Gesangseinlagen und schlechte Dialoge runden die platte Geschichte nach unten hin ab. Und der Zuschauer freut sich, wenn endlich der Wahlabend da ist und die HSP sich den nackten Prozentzahlen stellen muss. Claudia Roth mit Gurken auf den Augen "Isch kandidiere!" hat durchaus eine Menge Potential. Hape Kerkeling könnte es als Liebling aller Deutschen mit seiner immer wieder aufkeimenden Intelligenz und seiner entwaffnenden Spontanität sicherlich schaffen, die aalglatten Oberflächen der Politiker zu durchbrechen. Doch dafür bleibt er die ganze Zeit über viel zu brav. Und dabei hat er beispielsweise einen Jürgen Rüttgers schon fast soweit, dass dieser aus seiner steifen Rolle fällt. Aber noch bevor sich der NRW-Ministerpräsident wirklich wehren muss, hört der fiktive Journalist auf, nachzuhaken. Schade. Glücklicherweise sorgen die anderen Volksvertreter selbst für peinliche Auftritte. Wenn Claudia Roth mit Gurken auf den Augen ständig davon redet, wie schön doch "grün" sei, ist das für den Zuschauer nur bedingt lustig. Immerhin kommt der Betrachter zu der Erkenntnis, dass Politiker für ein wenig Aufmerksamkeit in Wahlkampfzeiten scheinbar alles machen. Doch diese von den Machern so sicherlich kaum gewollte Entlarvung unserer politischen Akteure bleibt nicht lange im Kopf hängen. Denn schon in der nächsten Szene läuft dann Simon Gosejohann durchs Bild und zeigt eine so schwache schauspielerische Leistung, dass man sich nur noch darüber ärgern kann. Warum wird ein Moderator nur als Darsteller gecastet? Man weiß es nicht. Und warum gibt man Alexandra Kamp, der jegliches Timing für eine Komödie fehlt, die weibliche Hauptrolle? Auch das weiß man nicht. An mangelnder Auswahl kann es nicht gelegen haben. Aber wenigstens machen sie den Film nicht alleine kaputt. Gelifteter Po und ehemaliges Penthouse-Pet - ansonsten keine Höhepunkte Den absoluten Tiefpunkt erreicht "Isch kandidiere!", wenn Schlagerbarde Bernhard Brink bei einem Abendessen u. a. mit dem Po-gelifteten Jürgen Drews und der ewig 25-jährigen Penthouse (Sil)Ikone Kader Loth den HSP-Song zum Schlechtesten gibt. Auch die völlig uninspirierte Regie von Angelo Colagrossi trägt nicht gerade zu einer Anhebung des Niveaus bei. Der pseudo-dokumentarische Stil funktioniert nur ansatzweise und verläuft ohne jegliche Höhepunkte. Einprägsame Bilder sucht man vergebens. So bleibt eine leidlich lustige und viel zu brave Filmkomödie über die deutsche Politik und ihre Akteure übrig, die zwar einen sympathischen Hauptdarsteller zu bieten hat, aber ansonsten mehr Wünsche unerfüllt lässt, als es einem Wähler lieb sein kann. |