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Der Ernst des Humors
GESELLSCHAFT | BLICKWINKEL (15.08.2006)
Von Eva Ullmann
Wie Sie den Humor als Medikament, zur Pflege und Heilung einsetzen können - Tipps und eine Übersicht zum aktuellen Forschungsstand:

Die Klinik, ein Ort des Heilens, zur Versorgung, zum Gesundwerden. Ein Ort, wo Gutes getan und dem Nächsten gedient wird. Ein Ort der sachlichen Kommunikation über Patientendiagnosen, Befinden, fachgerechte Behandlung und vollgemachte Windeln. Warum fühlen wir uns dort nur so wohl? Ein ernster und wichtiger Ort des Heilens, der Gesundung und des Wohlfühlens. Wozu brauchen wir da Humor? Wir sind doch alle ganz sachlich bei der Arbeit und dem Problem Krankheit. Rein ins Krankenhaus, fachlich richtige Diagnose, Behandlung, und schon ist man gesund und wieder raus aus dem Laden. Das ist eine ernste Angelegenheit. Da darf man keinen Spaß bei der Arbeit haben. Nichts klarer als das. Deswegen braucht man auch keine neuen Wege, vor allem keinen Humor, keine Ressourcen für das Personal, hat nie ausgebranntes Klinikpersonal, es gibt keine Missverständnisse, nie Streit und Zweifel an Behandlungsmethoden und Medikamenten, keine Ungerechtigkeiten, keine Hierarchie. Klinikleiter, Ärztinnen, Pfleger und Patienten verstehen alle gegenseitig, was sie für Anforderungsprofile, Probleme und Fragen im Alltag haben, und das Ganze ist das reinste Paradies.

Wir wissen alle, dass dem nicht so ist. Wir wissen, dass die Arbeit in der Klinik hohe Fachkompetenz und viel Stehvermögen mit sich bringt, um nur mal einige kritische Punkte zu nennen. Dabei haben wir uns einen ganzen Kasten mit Handwerkszeug zugelegt, um mit der besonderen Situation Krankheit umzugehen und sie kompetent zu behandeln. Haben wir Humor schon als ernsthaftes Handwerkszeug in dieses Repertoire mit aufgenommen?

photocase.com

Eine Humorpille (c) photocase.com

Das Medikament Humor ? ganz ernsthaft getestet

Erste Studien wurden durchgeführt zum Humor als klinisches Instrument zur Schmerzreduzierung. Willibald Ruch, Psychologe in Zürich hat erste Ergebnisse auf der internationalen Humorkonferenz in Tübingen 2005 vorgestellt. Ein Proband steckt seine Hand in einen Eimer mit kaltem Wasser. Es entsteht beim Probanden auf Grund der Kälte ein Schmerzgefühl (Die Untersuchungsmethode nennt sich "cold pressor task"). Dieser Schmerz wird u.a. über den Blutdruck während, unmittelbar nach und 30 Minuten nach dem Kältebad gemessen. Bei drei Testgruppen, von denen die erste nach dem Kältebad keine Intervention bekommt, die zweite einen lustigen Film und die dritte einen traurigen Film anschaut, stellte Ruch eine signifikante Schmerzreduzierung bei der Gruppe mit Humorintervention fest. [1] Können wir beweisen, dass man Humor als Schmerzmittel in der Klinik einsetzen kann?

Die Psychiaterin Irina Falkenberg in Tübingen führte eine Pilotstudie zu Humor als Therapieinstrument für Depression durch. Dieser Bereich ist im Moment noch sehr wenig erforscht. Martin Seligmann, Fachmann auf dem Gebiet der positiven Psychologie untersucht neben dem Humor 23 andere signifikante Stärken des Menschen und inwieweit deren Ausprägung sogar vor Krankheit schützen kann. Barbara Wild und Frank Rodden untersuchen, wo sich Humor und Lachen im Gehirn lokalisieren, welche Teile das Gehirn beim Lachen aktiviert oder eben weniger bewegt und vielleicht sogar entspannt. An der Universität Fribourg untersucht Andrea Samson in Kooperation mit dem Max-Planck Institut in Leipzig, wie Cartoons wirken und was sie beim Patienten bewirken.

Humor bei men's health

Eine Studie, die die Zeitschrift men's health veröffentlichte, hat in 50 deutschen Großstädten das Lachen von Männern gemessen. Dabei sind signifikante Unterschiede herausgekommen. Die Kölner lachen zehn Minuten am Tag. Es folgen Städte wie Essen, Mainz und Berlin im Acht-Minuten-Bereich. Hamburg, Dresden und Leipzig schlagen sich schon bei sechs Minuten herum. An letzter Stelle stand Chemnitz mit 5:17 Minuten.

Das MDR-Fernsehen ist nach Chemnitz gefahren, um den Chemnitzer zum Lachen zu bringen und eine Erklärung dafür zu finden, warum der gemeine Chemnitzer so wenig lacht. Ich kann mir das nur durch eine Tatsache erklären: Der Chemnitzer ist, wenn man das Amt für Statistik befragt, fünf bis sieben Zentimeter kleiner als die restlichen Bewohner dieser schönen Bundesrepublik. Somit sind auch seine Lachmuskeln im Gesicht signifikant kleiner. Das wiederum führt zu einer kürzeren Lachzeit. Aber auch die zehn Minuten des Kölner Mannes sind immer noch ganz schön wenig für die Bandbreite, die wir an Lachwerkzeug an und in unserem Körper zur Verfügung haben. Professor Ertel vom Institut für rationelle Psychologie in Stuttgart, der diese Ergebnisse an men's health weitergegeben hat, erklärt folgendes: Es gab keine Lachstudie in dem Sinne. Das Institut führt grundlegende Emotionsforschung durch, bei der zahlreiche Probanden in verschiedenen Städten sogenannte "brain caps" tragen, mit denen das Institut eine Großzahl von Parametern messen kann. Insgesamt handelt es sich um 64 psychophysiologische Reaktionsmuster, die gemessen werden. Also außer EEG, EMG, Puls, Körpertemperatur, Muskelspannungspotential wird da noch einiges mehr gemessen. Die Werte nutzen Wissenschaftler, um die Emotionen des Menschen zu erforschen. Was hat nun das Institut für men's health gemacht? Es hat einige Parameter für das Lachen festgelegt und ausgewertet. Jedoch bei weitem nicht die Bandbreite an Lächeln, Grinsen und Lachen, die der Durchschnittsdeutsche dafür zur Verfügung hat. Sonst hätte es viel weniger signifikante Unterschiede gegeben. Das wiederum wäre für den Nachrichtenwert und damit für die Marketingstrategie von men's health wirklich langweilig gewesen. Man kann nur sagen: clevere Werbeidee, aber keine fundierte Humorforschung.

Humorkonferenz in Fribourg

In jedem Fall hat die aktuelle Konferenz der Humorforscher präsentiert: Das Medikament Humor wird mehr und mehr getestet und ernst genommen, muss aber auch richtig dosiert werden. Man muss sich mit der Krankheit differenziert auseinandersetzen. Es gibt Krankheiten, deren Symptome krankhaftes Lachen sind und nicht in jedem Fall führt Lachen zu einer Stärkung des Immunsystems. Offensichtlich ist es höchst wirksam im Bereich der Schmerzreduzierung. Auch im Bereich des Humor gilt: das richtige Maß, nicht zu wenig und nicht zu viel. Scheinbar ist es einsatzfähig, wirksam und schnell. In jedem Fall macht es auch noch Spaß. Aber will das jemand? Wollen wir auch Spaß haben am Arbeitsplatz? Wollen wir unsere Intelligenz dafür nutzen, Dinge einfach mal unkomplizierter zu machen, als sie sind? Leichter Gesundheit wieder herzustellen? Dabei auch noch Spaß empfinden. Freude, gerade weil es ein so ernstzunehmender Beruf ist.

Der Humor-Pfleger

Kann Humor in der Kommunikation pflegen? Ist er Schmiermittel für den Kontakt zwischen zwei Menschen? Manchmal gibt es Dinge, Aussagen oder Kritik, die man nicht akzeptieren, aber auch nicht ändern kann. Das erlebt wohl jeder in seinem Job und gerade im Umgang mit Krankheiten. Aber warum nicht mal darüber lachen? Damit umgehen muss man in jedem Fall. Manchmal braucht man eine wirksame Konfliktlösungsmethode, manchmal auch nur eine Form von Ermunterung und Motivation für Kollegen, Patienten und natürlich sich selbst. Vielleicht ist Humor ein hilfreiches Werkzeug, um genau das zu tun.

Aussagen von Patienten des Hausarztes Dr. med. Wolf-Joachim Herrmann:
  • "Vor zwei Jahren war ich heiser, dann bin ich inhaliert worden, danach war alles weg."

  • "Ich sollte heute um acht nüchtern zur Pornographie kommen (Sonographie)."

  • "Ich wollte schon gestern zu ihnen kommen, aber ich konnte mich nicht freimachen."

  • "Nachts sterben mir immer alle Glieder ab, auch das Gehirn."

  • "Ich habe ablinkende Genialschmerzen."

  • "Morgen gehe ich um acht Uhr zum Psychopathen (Psychotherapeuten)."

  • "Ich brauche Sonnencreme mit hohem Luftschutzfaktor."


Der Humor-Arzt empfiehlt:

Zu guter Letzt wollen wir den Humor noch in der Rolle des Arztes betrachten. Kommt er, immer wenn man ihn braucht oder ruft? Wenn er dann kommt, wie arbeitet er? Meistens steht jemand im Weg, wenn man in einer schwierigen Situation den Humor-Arzt rufen möchte. Das ist der Ärger. Oft kommt er einem dazwischen. Man möchte etwas Humorvolles erwidern, ärgert sich aber zu Tode und das stundenlang über die Bemerkung des Gegenübers. Lässt man weniger Platz für Ärger, bleibt mehr Platz für Humor und Kreativität. Der amerikanische Humortrainer John Morreall behauptet, Ärger und Humor gleichzeitig funktionieren im Gehirn nicht. Nun ist es aber nicht so leicht, in manchen Situationen den Ärger abzustellen und den Humor zum Zuge kommen zu lassen. Eine sehr witzige Übung gegen Ärger ist die sogenannte S-Übung. Sie dauert ungefähr zehn Minuten, ist also in jeder Arbeitspause machbar. Sie brauchen einen Kollegen, den Sie mögen und bei dem Sie ab und an Ihr Herz ausschütten. Sie erzählen ihm als erstes die ärgerliche Situation (Sie dürfen dabei gerne ärgerlich werden, sonst wäre es wahrscheinlich keine ärgerliche Situation). Wenn der Kollege auch noch eine Wut-Story hat, her damit, soll er auch gleich erzählen. Anschließend erzählen Sie ihre Geschichte ein zweites Mal. Diesmal lassen Sie allerdings das S weg. Das hört sich dann ungefähr so an: "Ich mu.. dir unbedingt wa.. erzählen. Ge..tern i..t mir echt wa... ätzende.. pa..iert...." Probieren Sie es aus! Wenn es bei Ihnen funktioniert: Glückwunsch, Sie reduzieren damit in Zukunft die Zeit, die Sie bisher mit Ärgern verschwendet haben.

Louis Armstrong, der berühmte Jazztrompeter hat einmal eine Platte für ein fremdes Label produziert, obwohl er mit einer anderen Firma einen Exklusivertrag hatte. Als ihn der Direktor zu sich holt, bekommt er die Platte vorgespielt mit dem Vorwurf, dass sei unverkennbar er gewesen. Louis antwortet: "Das war ich nicht und ich werd's auch nie wieder tun." Finden Sie heraus, wie Sie auch bei Kritik, gerade bei falscher Kritik Haltung bewahren können! Nutzen Sie den Schutzschild Humor. Michael Titze und Inge Patsch haben in ihrem Buch "Humorstrategie" eine Bandbreite von weiteren Ideen und Formulierungen aufgeführt, die man zur humorvollen Kommunikation nutzen kann. Immer wieder ist es die Kombination von widersprüchlichen Elementen, die uns zum Lachen bringt: Bringen Sie die Logik aus dem Gleichgewicht!

Egal ob man den Humor als Ärztin, Pfleger oder als Medikament einsetzt: Es ist eine ernsthafte Seite an ihm, dem Humor. Eine, die nicht viele von ihm kennen, aber eine, die im richtigen Moment in der richtigen Dosis Gesundheit wiederherstellen kann oder gar verhindert, dass man krank wird. Alles im Leben hat zwei Seiten. Entdecken Sie die Dritte!

[1] Ruch, Willibald (2005): "Humor as a pain Killer??, Zürich
   



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