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WIRTSCHAFT | BEMERKT (15.09.2006)
Von Jörg Rostek
Der Einfluss von Unternehmen auf die Politik wächst. Verbände werden schwächer. Dr. Rudolf Speth, Politikwissenschaftler und Privatdozent an der Freien Uni Berlin, hat auf diese Tendenz in einer Studie der gewerkschaftseigenen Hans-Böckler-Stiftung hingewiesen.

Das ist nichts zwar Neues, aber gut, dass man wieder darüber spricht und schreibt. Bereits 2003 veröffentlichte Dr. Rudolf Speth ein Buch über Lobbyismus in Deutschland mit dem Titel "Die stille Macht". 2004 präsentierte er eine Studie mit dem Titel "Die politischen Strategien der Initiative neue Marktwirtschaft". Nun also eine neue Studie und sie platziert sich notwendiger den je.

Im Zentrum der Untersuchung diesmal: die Kampagne. Unternehmen werden immer unabhängiger. Besonders durch Kampagnen versuchen sie, die öffentliche Meinung in ihrem Sinne zu formen. Und das mit wachsendem Erfolg. Wozu braucht man noch eine langwierige und historisch aufgeladene Leitkulturdebatten, wenn man einfach sagen kann, du bist Deutschland? 25 Unternehmen waren hieran mit einer Gesamtsumme von 33 Millionen Euro beteiligt. Im Herbst ist bereits eine Nachfolgeaktion geplant. Für Rudolf Speth ist diese Untersuchung nur der Anfang.

Die Frage stellt sich, warum soll man Politiker beeinflussen, wenn man durch undurchsichtige Manipulationen den Wählerwillen kaufen kann? Wird dadurch die öffentliche Meinung privatisiert? Tatsache ist, dass Kampagnen niemals grundlos gestartet werden, sondern mit einem klaren, mehr oder minder redlichen Ziel. Es ist eben ein Unterschied, ob die Vereinten Nationen (UN) über die Konsequenzen von Anti-Personen-Minen in Entwicklungsländern aufklären möchte oder ob finanzstarke Großkonzerne mit Hilfe eines "unbeschwerten Patriotismus" ein ganzes Land zur Eigenverantwortung und freien Marktwirtschaft erziehen wollen - und dabei Erfolg haben. Gesellschaftlich sind sie höchst wirksame Akteure.

Auf der Homepage der Hans-Böckler-Stiftung ist in einer Pressemitteilung zu lesen: "Eine positive Botschaft soll in der Bevölkerung erzeugt werden. Patriotismus und Nationalgefühl sind von den Kampagnen als Ressourcen für Emotionen entdeckt worden. Gegenwärtig ist eine Neudefinition des Bezugs auf die Nation im Gang. Der Bezug auf die NS-Zeit und den Holocaust wird schwächer und das Gewicht der bundesrepublikanischen Geschichte steigt. Die Kampagnen befördern diese Veränderung in der kollektiven Identitäts-Politik. Ein emotional-positiver Bezug auf das eigene Land soll erreicht werden." Stimmung und Gefühl verdrängen dabei die Diskussion um Inhalte. Dabei ist besonders gefährlich, dass die Hintergründe von Kampagnen nicht leicht zu durchschauen sind. Die Vermischung von seriöser wissenschaftlicher Arbeit, Public Relations und Marketing ist keine Lobeshymne auf eine unabhängige Wissenschaft. Unternehmen zahlen gut. Besser als der Staat.

Heute ist der Gesetzgebungsprozess für die Bürgerinnen und Bürger ein Buch mit sieben Siegeln. Das verlangt nach einer politischen bürgerlichen Bildung, die diesen Namen verdient. Die politische Kommunikation durch Lobbying ist in einer Demokratie notwendig. Aber das Ausmaß der bewusst eingesetzten Meinungsmache durch Medien sollte auch Politikern zu denken geben. Bereits heute hüten sie sich vor den Chefideologen von Bild. Wehe dem, der es wagt, sich mit einem der anderen Meinungsriesen anzulegen. Man stelle sich vor, es gebe gleich vier oder fünf dieser Sorte und diese würden dann ihre Macht bündeln? Das wäre dann gar nicht mehr lustig. Umso notwendiger ist eine intellektuelle Opposition. Mit bildblog.de und nachdenkseiten.de sind bereits Anfänge gemacht. Blogger werden immer zahlreicher und schauen den Großen auf die Finger. Schade, dass man sie braucht. "Habe den Mut, dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen!" hat Immanuel Kant der Menschheit zugerufen. Er vergaß hinzuzufügen: "So lange es noch geht!"

   



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