Ein Rundumschlag in Rot
POLITIK | AUS LEIPZIG (19.06.2009)
Von Ronald Hild | |
Die Nachrichten im Radio schienen am Mittwoch, 17. Juni, auf einen dramaturgischen Höhepunkt hinzuarbeiten: 8.30 Uhr – Demonstrationen in über 60 Städten, 9.30 Uhr in über 70 Städten, 10 Uhr demonstrieren Schüler und Studenten in über 80 Städten für bessere Bildungsbedingungen. Rote Klamotten, rote Fahnen und rote Banner: Kita-MitarbeiterInnen und der Nachwuchs von Schulen und Hochschulen demonstrierten in Leipzig zusammen. (c) Torsten Wieland Hupen und Tröten schreckten uns schließlich aus unseren Überlegungen – der Demonstrationszug traf ein. Auf einer Mauer stehend verfolgten wir den Einzug der Gladiatoren. Komisch, sehr viele Leute, die rote Klamotten tragen , was steht da drauf - ver.di. . . VERDI? Wenig Studenten, aber einige Schüler, alles in allem vielleicht 1800, maximal 2000 Leute. Wenige Studenten Warum sind so wenig Studenten hier? Gut, in Sachsen gibt es keine Studiengebühren und es wird in den nächsten Jahren auch keine geben. Außerdem steht die Prüfungszeit bevor. Kann es sein, dass die Studis lieber studieren, als für bessere Bedingungen zu demonstrieren? Die Antwort auf diese Frage wird uns zwar verschlossen bleiben, aber was macht Ver.di hier? Den Grund sollten wir sehr schnell erfahren. Die Organisatorin begrüßte zunächst 3000 Demonstranten, die den Platz füllten. Füllten? Naja, mit einem Fahrrad könnte man bequem über den Platz fahren ohne Gefahr zu laufen, jemanden anzufahren. Aber okay, wir wollen nicht kleinlich sein. Dann wurden die einzelnen Teilnehmergruppen begrüßt: Schüler und Studenten sowie Erzieherinnen und Betreuer von Kindertagesstätten, die sich gerade im Streik befinden. Ah – Streiks in Kitas – jetzt wurde klar, warum Ver.di so präsent ist. Die Demonstration schlägt also den Bogen von Kinderbetreuung über Schüler bis hin zu Studenten – ein Bildungs-Verbesserungsrundumschlag sozusagen. Schade, dass bei einer so heterogenen Gruppe nur schwer ein Gemeinschaftsgefühl oder durchgängige Zustimmung aufkommt, auch gar nicht aufkommen kann. Es ist nachvollziehbar, dass ein Student, der wegen der Unzulänglichkeit seines Bachelorstudiums demonstriert, sich nicht wirklich für die – sicher durchaus berechtigten Belange – einer Kindergärtnerin interessiert. Und genau das ist das Problem von solchen Demos, die als Rundumschlag angelegt sind. Ernüchtert von der Demo Als sich die Verdi-Sprecherin dann auch mit den Studenten im Iran solidarisiert wird, verliert die Veranstaltung für uns den letzten Rest an konstruktivem Potential. Ernüchtert verlassen wir den Augustusplatz. Der Gedanke, dass Studium und Bildungsbedingungen besser werden sollen, ist ohne jede Frage zu unterstützen. Auch die Probleme mit den Bachelor/Master-Studiengängen anzusprechen ist sinnvoll. Zu fordern, dass die Freiheit von Studiengebühren gesetzlich verankert werden soll, kann zumindest noch nachvollzogen werden. Aber wie kann es sein, dass Forderungen aufgestellt werden, ohne sich gleichzeitig Gedanken über Lösungsvorschläge zu machen? Bildung soll verbessert werden, aber keiner möchte dafür finanziell beitragen? Möglicherweise wäre hier auch ein wenig mehr Pragmatismus angebracht. In den Medien hat der deutschlandweite Protest eher gemischte Reaktionen hervorgerufen. So wurde zwar über die Demonstrationen berichtet, auch die Ziele genannt, eine Auseinandersetzung mit den verschiedenen Ursachen kam meines Erachtens aber etwas zu kurz. In Anbetracht der Tatsache, dass auf Grund des föderalen Systems Bildung in Deutschland in den Aufgabenbereich der Länder fällt, setzt eine republikweit abgestimmte Aktionen in jedem Fall ein Zeichen. |