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Die Eric Clapton-Elf beim Tourneeauftakt in Frankfurt
KULTUR | LIVE ON STAGE (15.06.2006)
Von Robert Laude
Eric Clapton (61), der letzte Virtuose der Rockmusik, gab in der ausverkauften Frankfurter Festhalle ein bejubeltes Auftaktkonzert zu seiner Deutschlandtournee.

Unprätentiös und ohne Vorankündigung schlendert Eric Clapton auf die Bühne und hängt sich seine Gitarre um, während vom Piano bereits das Intro zum ersten Stück angestimmt wird. Dann der Anstoß mit dem rockigen 'Pretending'. "Working on the sound of the band / Trying to get the music right", heißt es in dem Text und bald wird deutlich, dass dieses Ziel mit einer neuen Bandaufstellung erreicht wurde.

Weniger ein Allstar-Team, wie noch bei der letzten Tour vor zwei Jahren, hat Clapton die Band an entscheidenden Stellen umgestellt und mit Willie Weeks am Bass und Steve Jordan am Schlagzeug eine neue, überzeugende, da für stetigen Druck und Antrieb sorgende Hintermannschaft verpflichtet. Die Sängerinnen Michelle John und Sharon White sowie die dreiköpfigen Kick Horns fügten sich routiniert ins Team ein und sicherten die Vorstöße der Gitarristen ab. Tim Carmon am Keybord links stellte sich ganz in den Dienst der Band, ohne jedoch eigene Akzente setzen zu können. Chris Stainton am Piano rechts spielte hingegen bei seinen Alleingängen die ganze Erfahrung einer fast 40jährigen Karriere aus. Stand bei der letzten Tour noch Gitarrist Doyle Bramhall II als Neuentdeckung und Impulsgeber des Teamkapitäns Clapton im Rampenlicht, so handelt es sich in diesem Jahr bei Slidegitarristen Derek Trucks um die spektakulärste Neuverpflichtung. Mit seinen 26 Jahren verfügt dieser bereits über eine langjärige Spielerfahrung in der zweiten Liga. Doch auch auf der großen Bühne wurde er seinem Ruf als Wunderkind gerecht und sorgte mit seinen Soli immer wieder für Szenenapplaus und spielte schöne Vorlagen, die Teamchef Clapton dann voll verwandeln konnte. Den Kopf zurückgelehnt, die Augen geschlossen und ein Bein angewinkelt schüttelte Clapton eine fette Tontraube nach der anderen aus seinem Instrument.

Von langsamen Aufwärmen hält die Band nicht viel. Die Wah-Wah Töne von Claptons erstem Solo hallen noch nach, da geht es mit "So tired", einem Stück der letzten Studioplatte, weiter und die Neubesetzung führt zu mehr Spielfreude und Biss. Dann ein früher Höhepunkt des Abends: "Got To Get Better I A Little While", ein selten gehörter Hilfeschrei von 1970. "Sniffing things that ain't good for me" heißt es da, und "The sun has got to shine on my guitar someday". Gut, dass diese trüben Tage vorüber sind. Clean und trocken ist Clapton seit Mitte der 1980er Jahre, und wenn er nicht in irgendeinem Land auf Tour ist, kümmert er sich um seine Drogenrehabilitationsklinik auf Antigua.
Mit "Bell Bottom Blues" wird dann das Tempo etwas herausgenommen, doch das klagende Flehen nach Liebe lässt kaum jemanden im Publikum kalt. Dann der nächste Kracher, "Why has love got to be so sad". Ja, warum eigentlich?

Polydor

Das Cover zum Layla-Album (c) Polydor

Die letzten drei Lieder stammen alle von 1970. Damals gründete Clapton eine Band unter dem Pseudonym Derek & The Dominoes. Der gottähnlichen Anbetung seiner Fans überdrüssig, sehnte sich Clapton danach, in einer Band aufzugehen statt im Rampenlicht zu stehen. Ohne den Maestro-Bullshit, wie er sein Spiel bei Cream einmal selber bezeichnete, einfache, gradlinige und ehrliche Songs zu spielen, das war das neue Ziel. Persönlich erlebte Clapton damals einen seiner vielen Tiefpunkte. Er hatte eine zerstörerische Liebe zu Pattie Boyd entwickelt. Nicht nur, dass Pattie seine Liebe nicht gleich erwiderte - nein, sie war dazu noch mit einem von Claptons besten Freunden verheiratet, einem gewissen George Harrison von den Beatles. Eine tragische Geschichte, die Clapton zu seinem vielleicht stärksten Album inspirierte, dem Doppelalbum "Layla and other assorted love songs", das als eines der bestes Doppelalbum der Rockgeschichte gilt. Ein Album, dessen Erfolg aber ohne Duane Allmann von der Allmann Brothers Band, den Erfindern des Südstaaten-Rocks, nicht denkbar wäre. Seine unnachahmliche Kunst an der Slidegitarre fügte den herzzereißenden Texten von Clapton und seinem fiebrigen Bluesspiel eine Ebene hinzu, die dem ganzen die Krönung aufsetzte. Leider kam Duane Allmann kurz nach den Layla-Sessions bei einem Motorradunfall ums Leben. Die Allmann Bothers Band spielt noch heute sehr erfolgreich und Derek Trucks füllt seit einiger Zeit dort die Rolle Duanes aus. Daher auch die Hoffnung vieler Fans im Vorfeld der Tournee, durch die Verbindung von Derek Trucks zu Duane Allmann und dem Layla-Album würde Clapton sich dieser Phase seiner Karriere verstärkt zuwenden. Und so kam es dann auch. Waren die letzten Jahre von Clapton musikalisch geprägt durch seine Rückbesinnung auf den Blues, die Verarbeitung des Todes seines kleinen Sohnes und der Suche nach den eigenen Wurzeln, zeigte sich in Frankfurt ein anderer Clapton. Von Melancholie keine Spur, statt dessen eine Rückkehr zum Rock und zu den Anfängen seiner Solokarriere.

Die nächsten beiden Stücke "Everybody ought to change" und "Motherless children" bieten eine Slide-Tour de force in atemberaubender Geschwindigkeit. Statt einer Halbzeitpause werden anschließend die Akustikgitarren herausgeholt und es geht sitzend weiter. Das Titelstück der letzten Studioplatte "Back home" wurde entschlackt und klingt anrührend aber nicht kitschig. Ebenso "I am yours", die wohl schönste Ballade vom Layla-Album. Bei "Nobody knows you when you're down and out", eine alte Bluesnummer, die von Clapton erstmals für eben dieses Album eingespielt wurde, klang die Band wie eine Thekenmannschaft aus New Orleans, und das ist als Kompliment gemeint. Das sich gospelhaft steigernde "Running on faith" beendete den akustischen Teil.

"After Midnight" war dann wieder groovender Hochgeschwindigkeitsrock, bei dem besonders die Bläsergruppe hervorstach. Der fast 15-minütige Blues "Little Queen of Spades" entwickelte sich zu einem Schaulaufen, bei dem sich die Gitarristen mit ihren Soli abwechselten und deutlich wurde, dass doch keiner Clapton beim Bluesspiel das Wasser reichen kann. Es folgte das Lied, auf das alle glücklich Verliebten gewartet haben: "Wonderful tonight", in einer schönen, knappen Version.
Trotz des Jubels der Fans lässt sich Clapton nur ein freundliches "Danggescheen" entlocken. Die Kommunikation zwischen Musiker und Publikum läuft nur über die Musik. Keine großen Worte, keine große Lichtshow, allein die Musik und die Gefühle zählen.

Und dann der Endspurt und das Lied, das der Rolling Stone einmal als vielleicht kraftvollstes und schönstes der 1970er Jahre beschrieb: "Layla". Einst gesungen und gespielt, als hänge ein Leben davon ab, entfaltet das neben "Satisfaction" wohl bekannteste Riff im Rock auch fast 40 Jahre später eine ganz besondere Magie. Ein donnerndes "Cocaine" setzte dann den Schlusspunkt unter ein großartiges Konzert. Doch eine Nachspielzeit gab es auch: den Cream-Klassiker "Crossroads", zudem sich auch Bluesgitarrist Robert Cray, der mit seiner Band souverän das Vorprogramm bestritt, gesellte. Die Stimmung in der Halle war euphorisch und auch danach wurde noch gefeiert in Frankfurt. Doch alles blieb friedlich, lediglich einige Fans klagten später über schmerzende Muskeln nach ausgedehntem Luftgitarre-Spiel. Insgesamt ein mehr als gelungener Auftakt der Clapton-Elf im WM-Land Deutschland, der Lust auf mehr macht.

Nach der Fußball-WM geht die Tournee in Deutschland weiter. Stehplatzkarten für Köln (3.07), Dortmund (14.07), München (22.07), Mannheim (23.07) und Hamburg (25.07) sind vereinzelt noch erhältlich.

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