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Radler sollten Vorfahrt haben
POLITIK | VERKEHRSPLANUNG (07.05.2013)
Von Boje Maaßen
Immer mehr Verkehrsteilnehmer steigen aufs Fahrrad um. Das prognostiziert der Nationale Radverkehrsplan 2020. Doch Radler genießen deswegen noch lange keine Vorfahrt. Es herrscht nicht einmal Gleichberechtigung mit Autofahrern. Einige Denkanstöße wenige Tage vor dem Nationalen Radverkehrskongress in der Fahrradstadt Münster:

iley.de

Selten genug: eine Piste nur für Radfahrer. (c) iley.de

Kritisiert man einen Fußgänger, kritisiert man einen Menschen. Kritisiert man ein Fahrrad oder ein Auto, kritisiert man zwei verschiedene Maschinen. Eine, die sich mit Hilfe menschlicher Kraft bewegt, und eine, die von einem Motor bewegt wird. Im Plural bilden Fußgänger, Räder und Autos jeweils ein System.
Diese terminologische Vorbemerkung und die folgenden Gedankengänge sollen auf die Frage lenken, in welchem Rangverhältnis Fußgänger, Fahrrad und Auto stehen sollten und wird beantwortet durch die Bestimmung der Auswirkungen, die die drei Verkehrssysteme jeweils auf die Umwelt und deren Benutzer haben:

Das Auto und die katastrophalen Folgen

Fußgänger haben keine negativen Auswirkungen auf die natürliche Umwelt, aber positive auf die soziale und die eigene Gesundheit. Fahrräder stoßen keine schädlichen Emissionen aus, sie fördern die Gesundheit, sind aber ein Gefahrenpotenzial, wenn sie zu schnell und unachtsam in unmittelbarer Nähe von Fußgängern gesteuert werden.
Dass das Auto katastrophale Folgen auf das Makro- aber auch Mikroklima hat, zeigt deutlich ein Auto mit laufendem Motor in der Garage. Mehr dazu zu sagen, ist überflüssig. Autos haben zusätzlich massive negative Einflüsse auf Landschaften und Siedlungen, auf das Zusammenleben der Bürger und letztlich auch auf die Menschen selbst, sei es in leichten bis tödlichen Unfällen oder Krankheiten mangels körperlicher Bewegung. Öffentliche Verkehrsmittel sind so gesehen problematisch wie Autos, was aber durch den hohen Auslastungsgrad erheblich gemildert wird. Ein Gewinn besteht in der Möglichkeit sozialer Erfahrungen.

Gleichberechtigung

Dass alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt seien, wie es der Allgemeine Deutsche Automobilclub (ADAC) behauptet, ist juristisch-formal korrekt, aber faktisch Ideologie. Das Auto beherrscht die öffentlichen Räume. Selbst bei einer Zweispurigkeit nimmt das Auto drei Viertel des Straßenraumes für sich in Anspruch. Fußgänger und Radfahrer müssen sich den "Restraum" nicht immer konfliktfrei teilen. Baumreihen, die früher zum normalen Straßenbild gehörten, haben für eine zusätzliche Fahrspur oder für Parkbuchten Platz gemacht. Die Häuserfassaden in älteren Vierteln sind konsequent durch Rückbau von Erkern, Freitreppen und Vorgärten zweidimensionalisiert worden. An viel befahrenen Straßen haben spielende Kinder kein Aufenthaltsrecht, Erwachsene meiden sie und Radfahrer gelten als störend.
Notwendig und sinnvoll dagegen wäre es, Fußgängern und Radfahrern faktisch und rechtlich Vorrang einzuräumen, wobei die konkrete Gewichtung vor Ort entschieden werden müsste.

Grundirrtum

Warum hat diese Position es in unserer Gesellschaft so schwer? Worin besteht die argumentative Basis ihrer Gegner? Die Gleichwertigkeit des Autos Fußgängern und Radfahrern gegenüber kann nur auf höchster Abstraktion behauptet werden als eine Fähigkeit zur Ortsveränderung unter Ausblendung der Folgen auf Mensch und Umwelt. Dass diese "Logik" letztlich unwidersprochen den gesellschaftlichen Diskurs beherrscht, liegt primär in folgenden Sachverhalten: Die Dominanz des Autos wird als naturwüchsig und damit unkritisierbar interpretiert. Die Werbung für Autos wird umfangreicher und aggressiver. Die Lebenswelt wird zu einer Autowelt. Das Bequemlichkeitsverlangen vieler Menschen nimmt keine Rücksicht auf sich selbst und auf die natürliche, soziale und kulturelle Umwelt.
Unterschwellig liegt all dem folgender Grundirrtum zugrunde: Das Gleichheitsprinzip, das für Menschen gilt, wird auf Dinge übertragen. Bloß weil ein Mensch in einem Auto sitzt, ist es verkehrspolitisch, ökologisch und gesundheitspolitisch falsch, ihn mit dem Fußgänger und Radfahrer rechtlich gleich zu setzen. Es ist ein Kategorienfehler, den Unterschied von Mensch und Ding zu übersehen.

Der Nationale Radverkehrskongress findet am 13. und 14. Mai in Münster statt. Rund 600 Teilnehmer beschäftigen sich an beiden Tagen mit verschiedenen Radverkehrs-Themen. Es geht unter anderem um Konzepte, Infrastruktur und Werbung für den Radverkehr, um die Verknüpfung von Fahrrad und öffentlichem Nahverkehr sowie um die Potenziale von Pedelecs und die Chancen des Radtourismus.


Weiterführende Links
http://www.nationaler-radverkehrskongress.de/Nationaler Radverkehrskongress 2013
   






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