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Die Chaoten-Schachtel
KULTUR | SOCKS POPULI (23.02.2011)
Von Denis Mohr
Kennen Sie das: Auf der ständigen Suche nach allem, was irgendwie wichtig ist. Lesen Sie eine Alltagsgroteske in vier Fuck!ten.

Aufzug: 1. Fuck!t
Wenn es einen Menschen auf dem Erdenrund gibt, auf den der ziemlich unschmeichelhafte Terminus Vollchaot zutrifft, dann dürfte ich das sein. Sollte eines Tages ein Komitee zur Wahl des weltgrößten Schussels aufrufen, werde ich kandidieren und die Trophäe mit staunenswerter Mühelosigkeit abräumen. Meine Gene machen es mir offensichtlich unmöglich, irgendeine Form von Ordnung zu halten. Mit steter Regelmäßigkeit kommen mir wichtige Dokumente abhanden und bleiben auf nimmer wiedersehen verschollen. Fahrzeugscheine, Krankenkassen- und Lohnsteuerkarten, Personalausweise, Führerscheine, alte Schulzeugnisse, Kontobelege, Quittungen - nichts ist davor sicher, von mir verloren zu werden.

Aufzug: 2. Fuck!t
Im Laufe meines Lebens habe ich unzählige Systeme ausprobiert, um dieser Unsitte Herr zu werden, aber nichts hat bisher den erwünschten Erfolg gebracht. Zuletzt versuchte ich, alle Dokumente, Unterlagen und Gegenstände, die von gesteigerter Relevanz für mein Leben sind, in einer alten Schuhschachtel zu sammeln, die ich auf meinem Kleiderschrank aufbewahrte und zwecks besserer Wiederfindbarkeit mit viel Liebe leuchtend rot angemalt hatte. Das funktionierte eine Zeit lang recht passabel und endete schließlich damit, dass ich eines Tages feststellen musste, dass ich einfach die ganze Schachtel verloren hatte. Nur eine staubig umrandete leere Stelle kündete noch von ihrer einstigen Anwesenheit. Nach einer dreitägigen, von Panik und Selbstverwünschungen dominierten Suchaktion fand ich sie wieder - die Nachbarskinder hatten sie mit Paketklebeband zu einer Art Fußball modifiziert, traten sie lachend und feixend über den Asphalt einer stark befahrenen Straße und zeigten sich äußerst ungehalten, als ich mit cholerisch erhobener Stimme ihre Aushändigung forderte.

Aufzug: 3. Fuck!t
Um eine derartige Situation, die mich bei Kindern und Eltern meiner Straße äußert unbeliebt gemacht hatte, künftig zu vermeiden, kaufte ich mir einen Schlüsselfinder mit Fernbedienung. Den Sensor, der auf Knopfdruck einen durchdringenden Pieplaut von sich gab, klebte ich an die Innenwand der Schachtel, die Fernbedienung befestigte ich an meinem Schlüsselbund.

Mehrere Testläufe bestätigten, dass die Kombination dieser beiden Systeme (Schachtel + Schlüsselfinder) geeignet war, ein Maß an Narrensicherheit zu garantieren, das meinem desolaten Ordnungssinn angemessen schien. Zunächst testete ich die Reichweite des Schlüsselfinders, indem ich die Schachtel auf meinem Balkon platzierte und mich sodann schrittweise von ihm entfernte. Bei jedem Schritt betätigte ich den Knopf der Fernbedienung an meinem Schlüsselbund und vernahm dabei stets ein durchdringendes "Piiiieeeeep", so dass ich schließlich sicher sein konnte, zumindest in meinen eigenen vier Wänden ein gangbares Ortungssystem etabliert zu haben.

In einem zweiten Schritt bat ich einen Freund, die Schachtel innerhalb eines fest definierten Radius rings um meine Wohnung in einem Gebüsch oder auf einem Baum zu verstecken. Obwohl er sich aufrichte Mühe gab, fand ich das Ding binnen einer halben Stunde auf einer unweit gelegenen Viehweide und konnte in letzter Sekunde eine Kuh davon abhalten, es unter einem dampfenden Fladen zu begraben.

Was sollte jetzt noch schief gehen?

Aufzug: 4. Fuck!t
Wie ich im Laufe der letzten drei Tage herausfinden konnte, wurde mein Schlüsselbund zuletzt gesichtet, als ihn die Nachbarskinder an eine lange, an einem Stock befestigte Schnur banden, um damit in einem nahe gelegenen Teich nach Karpfen zu angeln. Ob ich wirklich wissen will, wo meine Schachtel unterdessen schon wieder abgeblieben ist, wage ich langsam ernsthaft zu bezweifeln.
   

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