80.000 gegen Vorsorgepflicht
WIRTSCHAFT | SELBSTÄNDIGKEIT (22.10.2012)
Von Michael Billig | |
Sie sind geschäftstüchtig, erfolgreich und sie sind jung. Und dennoch müssen Tim Wessels (27) und Lars Möller (28) schon jetzt ans Rentenalter denken. Das haben sie Ursula von der Leyen zu verdanken. 80.000 Menschen haben die Petition gegen eine Vorsorgepflicht für Selbständige mitgezeichnet. (c) iley.de "Natürlich muss man vorsorgen", räumen sie ein. Doch über das Wie würden Tim Wessels und Lars Möller gern - wie bisher auch - selbst entscheiden. Damit das so bleibt, reichte Wessels vor acht Monaten im Deutschen Bundestag eine Petition gegen die Rentenversicherungspflicht ein. Innerhalb einer Frist von vier Wochen unterzeichneten mehr als 80.000 Menschen die Eingabe. Eine beachtliche Zahl und genug, um das Thema auf der politischen Agenda nach oben zu katapultieren. "Selbständige aus allen Bereichen" zählt Wessels zu den Unterstützern. "Viele kommen aus der Gründer- und Startup-Szene", sagt er. Wessels selbst hat vor mehr als zehn Jahren gemeinsam mit Möller einen Computer-Hilfsdienst in Münster aufgebaut. Sie waren damals noch Schüler. Heute verteilt sich ihre Firma auf zwei Standorte, Münster und Hamburg. Sie beschäftigen zehn Mitarbeiter. Auf der politischen Agenda in Berlin Während Möller sich auf das Geschäft konzentriert, agiert sein Kompagnon in den zurückliegenden Monaten als Sprachrohr und Hoffnungsträger Tausender Selbständiger in Deutschland. Zweimal, im Juni und im Juli, hatte ihn Bundesarbeitsministerin von der Leyen zu Gesprächen nach Berlin geladen. "Sie hat unsere Bedenken sehr ernst genommen", berichtet Wessels. Vor einer Woche stand er im Petitionausschuss des Deutschen Bundestages Rede und Antwort. Dort legte er Politikern aller Fraktionen seine Argumente dar: "Wer es hinkriegt, eine Firma zu gründen, ist auch in der Lage, seine Altervorsorge zu planen. Das ist einfacher als viele unternehmerische Entscheidungen." Große Sorgen bereiteten ihm die Geringverdiener unter den Selbstständigen, sagte Wessels weiter. Rund ein Viertel verfüge im Monat über ein Nettoeinkommen von weniger als 1.100 Euro. Sie treffe ein pauschaler Rentenversicherungsbeitrag von 260 Euro monatlich, wie er derzeit in der Diskussion ist, besonders hart. "Diese Menschen sind akut davon bedroht, ihre Selbständigkeit aufgeben zu müssen und dem sozialen System zur Last zu fallen", so Wessels. Wenn die Rentenversicherungspflicht schon kommt, dann bitte einkommensabhängig, fordert er. Dass sie kommt, daran ließen die anwesenden Politiker - unabhängig ihrer Couleur - keinen Zweifel erkennen. Wie sie konkret aussehen wird, da gehen die Vorstellungen allerdings auseinander. Selbst im Bundesarbeitsministerium herrscht darüber noch keine Klarheit. In dieser Legislaturperiode ist jedenfalls nicht mehr mit der Vorsorgepflicht für Selbständige zu rechnen, was Wessels und Möller zumindest vorerst beruhigt. Tim Wessels hat einen Arbeitskreis gegen die Rentenversicherungspflicht für Selbständige mitgegründet. Zur Internetseite des AK gehts hier. Eine Aufzeichnung der Sitzung des Petitionsausschusses im Deutschen Bundestag vom 15.10. findet man hier. |