MacGyvers in Giftgrün
KULTUR | MITGEMACHT (15.02.2008)
Von Erik Schuchort | |
In meiner wilden Moped-Zeit lehrte mich die Polizei, dass es nicht „Freund und Helfer“ heißt, sondern „Freundchen, wir helfen dir!“. Tatort: Weimarer Goetheplatz. In bayerischer Bierruhe brause ich quer über den Fußgängerabschnitt. Verkehrsberuhigter Bereich. Absolutes Fahrverbot! Es ist Winter. Ziemlich spät. Eisig kalt. Es zieht wie Hechtsuppe. Da ich kein Polarbär bin, sondern schlotternder Zweiradfahrer, soll es schleunigst nach Hause gehen. Am besten Luftlinie. Mist! Seitlich am Weinachtsbaum-Verkaufsstand, der jährlich den Goetheplatz schmückt - und die Straßeneinsicht verdeckt (!) - lugt ein laubgrüner Six-Pack hervor. Die Pollerei. (c) Werner Bevor die giftgrünen Gesetzeshüter erneut zum Überholmanöver ansetzen, jage ich mit Karacho durch einen seitlichen Torbogen - hinein in den Innenhofhof einer Musikschule. Die Polente lässt sich nicht so leicht linken. Kurze Bremsgeräusche und schon sind sie mir wieder auf den Fersen. Eine Treppenpassage am Ende des Hofes, die in den dunklen Weimarhallenpark führt, soll endgültig die Freiheit sichern. Noch zwanzig Meter. Die Rettung? Trotz Tunnelblick und Adrenalinschub bekomme ich plötzlich Angst, zögere, mache einen Schlenker und nehme den schmalen Weg für Kinderwagenschieber, der drei Treppenpartien schlängelförmig hinunterführt, anstatt mich kerzengerade die Stufen hinunterzustürzen. Erste Kurve, zweite Kurve. Fast geschafft! Eine noch. Mit vorgeschobener Zunge will ich mich in die dritte und letzte Biegung werfen. Plötzlich streikt mein Moped. Was ist los? Ich trete auf der Stelle. Trotz Vollgas. Im Rückspiegel Giftgrün und Schulterstücke. Ganz groß. Schulterblick. Da haben wir die Bescherung: Ein Bulle klebt klettenartig am Haltegriff. Ehe ich mich versehe, schubst mich ein zweiter Schutzmann vom Gefährt. Da macht der Reiter plumps. Als ich aufstehe, sind sie schon zu sechst. „Los, an die Wand!“, schreit einer von ihnen. „Führen Sie Waffen bei sich?“. Nach rauher Aufforderung werde ich plötzlich gesiezt. „Ja, Opas Schweizer Taschenmesser!“, möchte ich zurückbrüllen. Nein, ich bin natürlich noch total verdutzt. Mein Herz buppert. Weiß gar nicht, was die von mir wollen. „Beine Breit!“ Danach folgt, was wohl jeder verabscheut und von Großveranstaltungen kennt. Als ich mich umdrehe, funzelt mir ein Arbeitskollege des Grapschers mit der Taschenlampe in die Lichter. „Nehmen Sie Drogen?“. Ein weiterer grüner Sechser ist mittlerweile eingetroffen. Kollegen, sogar ein vierbeiniger Beamter, vergrößern den Halbkreis, um mich streng im Taschenlampenlicht zu beäugen und ihre beiden MacGyvers in Giftgrün zu feiern, die, sich aus fahrendem Untersatz stürzend, den davonbrausenden Bösewicht erhechteten. Jaja. Alles ähnelt einer amerikanischen Straßen-Cop-Satire. Fehlt nur noch ein Satz wie: „Jetzt haben wir dich am Sack, kleiner Scheißer!“ Stattdessen folgt nüchterne polizeiliche Analyse. Verbuchte Vorstrafen? Ist das Ihr Moped? usw. bis ein Kollege trocken fragt: „Warum haben Sie eigentlich nicht die Treppen genommen? Das ist doch fast 'ne Vollcross?“ Daraufhin wird er zur Mopedinspektion geschickt. Abkommandiert? Als der Oberaffe der Gorillahorde (einziger mit drei Sternen) fertig ist, sämtliche Papierstücke zu beäugen, frage ich kleinlaut nach den Folgen. „Sie kommen mit 70 Euro Bußgeld wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und zwei Punkten in Flensburg davon.“ Widerstand gegen die Staatsgewalt? Das klingt ja, als hätte ich den Berliner Reichstag angezündet! „Ach übrigens,“ meint der Bulle über die Schulter schauend, „hätten Sie nicht beschleunigt, wir hätten Sie gar nicht mitbekommen.“ |