Kriminalisiert und abgeschoben
GESELLSCHAFT | KULTURSTADT (15.06.2005)
Von Marcus Häußler † | |
Kennen sie diese Zettel, die in Augenhöhe an Fußgängerampeln oder Bauzäunen kleben? Vor Monaten noch häuften sich die kleinen Botschaften an den freien Stätten und Plätzen der Klassikerstadt. Anfang März hieß es auf einem sehr verbreiteten Sticker: "Skater kriminalisiert und abgeschoben" und tatsächlich sind die überwiegend jugendlichen Skatboardfahrer von ihren einstigen Plätzen verschwunden. Ein Grund ist Weimars rege Bauaktivität auf öffentlichen Flächen. Die Baustelle am Weimarplatz, ehemaliges Gauforum, war ein hochfrequentierter Treffpunkt des Skaternachwuchses. Nach solchen Grundstücksumbauten machen oft Pflastersteine und Begrenzungspfeiler das Rollen auf Brettern unmöglich. Vom Stadtschloss bis zum Hauptbahnhof gibt es heute schon gepflasterte Wege. Finden Skateboardfahrer dennoch in die Innenstadt, werden sie vom gemeinen Passanten beispielsweise am Theaterplatz mit Argwohn und Entsetzen bedacht. Zuweilen hört man sogar ältere Damen auf Jugendliche schimpfen, warum sie denn nur die Sitzbänke mit ihren Brettern beschädigen. Ein so angesprochener junger Mann, unzweifelhaft ein Freund legerer Kleidung, ist sich keiner Schuld gewahr und hat für die Dame und ihr Anliegen höchstens ein Lächeln übrig. Mit derartigen Szenen geht das Aufstellen von Schildern einher, die dann alles Mögliche, unter anderem Skatebord fahren und Ball spielen, verbieten. Wer dann noch spielt, ist kriminell. Zeit, etwas zu tun und nutzbare Räume zu schaffen dachten sich auch die Betreiber von Klock11. Sie verwandelten in Eigeninitiative das brachliegende ehemalige Uhrenwerk in der Rießnerstraße zum ganz legalen Skate-, Sport- und Tanzareal. Anfang Juni eröffneten rund 700 Menschen Weimars neueste Lokation, unweit vom Hauptbahnhof, mit dem 1ST OPEN BASS COURT. Rawhill-Member E.DECAY, MC $PYDA (UK) und Crews aus Erfurt, Weimar und Jena sorgten mitunter live für absolut tanzbare Drum & Bass Musik. Das musikalische Spektrum von Klock11 reicht dabei aber durchaus weiter. So sind Freunde dezenter elektronischer Musik am 27.08.05 zur House Party herzlich willkommen. Dass Massen bewegen, zeigten unlängst auch die Bewohner Weimars Nachbarstadt Jena. Mehrere Tausend Menschen protestierten dort am 11. Juni gegen ein internationales Rechtentreffen. Nachdem die zuständigen juristischen Instanzen das braune Fest auf Jenas repräsentativem Marktplatz verboten, besetzte eine Gruppe Gegendemonstranten den von den Gerichten zugewiesenen Alternativplatz. Die aus den Niederlanden, Lichtenstein, der Schweiz und Deutschland angereisten Neonazis wurden daraufhin sechs Kilometer stadtauswärts eskortiert, wo sie ihre Festzelte auf einen Baumarktparkplatz aufschlagen mussten. Gewiss ein schlechter Tag für Hornbach ein guter jedoch für Jena und seine Bürger, die mit einem weiteren Protestmarsch aus über 2000 Menschen, den Rechten hinterher zogen. Ein Großaufgebot aus Bundesgrenzschutz und Polizei wusste aber eine Konfrontation mit den rund 500 Neonazis zu verhindern. Es bleibt zu hoffen, dass sich ähnlich viele Menschen wie in Jena, am 9. Juli in Gera und am 23. Juli in Braunschweig an Demonstrationen gegen die marschierenden Kahlköpfe beteiligen. |