Wattstax
KULTUR | JUKEBOX (15.01.2006)
Von Robert Laude | |
Am 20. August 1972 versammelten sich mehr als 100 000 schwarze Zuschauer im Coliseum-Stadion in Los Angeles, um das siebenjährige Jubiläum der Ghetto-Aufstände von Watts 1956 mit einem mehr als sechsstündigen Musikfestival zu feiern. ![]() Empfehlenswert! (c) DVD-Cover Das 'schwarze Woodstock' wurde es auch genannt, dieses Festival, dass trotz eines Staraufgebots nie auch nur annähernd einen Kultstatus wie eben Woodstock oder das Monterey Festival erringen konnte. Ob es daran lag, dass die weißen Mittelschicht-Kids, die die beiden oben genannten Festivals (und die Musikmedien) dominierten, keinen Bezug zur Black Power-Bewegung hatten oder doch einige der ganz großen schwarzen Stars der damaligen Zeit nicht dabei waren - Namen wie Marvin Gaye, Curtis Mayfield, James Brown, Aretha Franklin oder Miles Davis fallen einem ein - , diese Frage kann hier nicht beantwortet werden. Festzuhalten ist jedoch, dass hier ein Kleinod wiederveröffentlicht wurde, das nicht nur musikalisch glänzt, sondern auch einen interessanten Einblick in das Leben, die Kultur und den Stil vieler schwarzer Amerikaner Anfang der 1970er Jahre erlaubt. Denn 'Wattstax' ist nicht nur ein Konzertfilm, sondern ebenso eine Dokumentation über die Situation der Schwarzen sieben Jahre nach den schweren Ausschreitungen im Stadtteil Watts in Los Angeles. Ein ebenso großer Raum wie den musikalischen Darbietungen wird Interviewsequenzen mit schwarzen Bewohnern (und nur wenigen Bewohnerinnen) von Watts eingeräumt. "You know what? I'm gonna tell you?" ist das Motto der Männer, die vom Leben, ihren Hoffnungen und Enttäuschungen berichten. Eindruckvolle Szenen kommen dabei heraus. Etwa, wenn die Männer erzählen, wie sie das erste Mal 'Nigger' genannt wurden. Ergänzt werden die Interviews und Straßenszenen durch Kommentare des leider im letzten Jahr verstorbenen US-Komödianten Richard Pryor, der selbstironische und zum Teil äußerst witzig die Eigenheiten seiner schwarzen Brüder aufs Korn nimmt, und dessen Szenen als Klammer zwischen Interviews und Konzertausschnitten dienen. Das Festival selber begann mit einer flammenden Rede von Reverend Jesse Jackson, in der er die Schwarzen zu Selbstbewusstsein und Stolz aufrief und die damit endete, dass 100 000 Zuschauer mit erhobenen Fäusten 'I am somebody' skandierten. Schlusspunkt des Konzertes war ein Auftritt von Isaac Hayes, dessen Weg zur Bühne dem Einzug eines Boxstars in den Ring gleicht. Höhepunkte unter den gezeigten Auftritten hervorheben zu wollen, ist schwer, sind die Stücke doch alle von hoher Qualität. Die eindringliche, klare Stimme von Kim Weston bei 'Lift every voice and sing' und dazu Bilder, die den Weg der schwarzen Amerikaner von den Sklavenschiffen bis zu Muhammad Ali nachzeichnen. Die Staples Singers mit ihrem Hit 'Respect yourself', die zum Niederknien schöne Gospelnummer 'Peace be still' von den The Emotions, der magnetische Groove von Johnnie Taylors 'Jody's got your girl and gone' - diese Stücke sind Glanznummern. Zu den eindrucksvollsten Momenten gehört aber sicherlich auch der Auftritt von Rufus Thomas. Kaum ruft er die Menge auf zu seinem Hit 'Do the funky chicken' zu tanzen, strömen die Menschen auf das eigentlich freizuhaltende Spielfeld vor die Bühne, um ausgelassen zu feiern. Erstaunlicherweise gelingt es Rufus Thomas danach durch eine Art improvisierter Stand-up Comedy die Menge dazuzubewegen, das Spielfeld fast genauso schnell zu räumen, wie sie es gefüllt haben. Durch das Konzept des Filmes kommt der Musik häufig aber nur die Funktion zu, die Bilder und Interviews zu umrahmen sowie die Botschaft der Bewegung zu transportieren. So werden viele Stücke nicht komplett gezeigt, sondern ausgeblendet, wenn man gerade Gefallen gefunden hat. Leider haben die Produzenten der DVD-Ausgabe, die auch als Jubiläums-Ausgabe angepriesen wird, fast komplett auf Bonusmaterial, wie etwa die kompletten Lieder oder dem Schnitt zum Opfer gefallene Stücke, verzichtet. Auch ein Booklett mit näheren Informationen zu dem Ereignis wäre schön gewesen. Andere Wiederveröffentlichungen haben da mehr anzubieten. Trotzdem: wer sich für ein zeitgeschichtliches Dokument über die Zeit des Black Power interessiert, wer Soulliebhaber ist oder wer einfach nur eine gute Musikdokumentation zu schätzen weiß, dem kann 'Wattstax' wärmstens empfohlen werden. |