Hibakusha ist das japanische Wort für die Opfer, die den Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki überlebt haben. Wie geht es ihnen heute?
Vor 60 Jahren wurden zwei Atombomben von amerikanischen Bombenflugzeugen abgeworfen: am 6. August 1945 um 8.15 Uhr über Hiroshima und am 9. August um 11.02 Uhr über Nagasaki. Die Atombomben sind über den beiden Städten explodiert und haben sie vollständig zerstört. Die genaue Zahl der Toten ist bis heute unsicher, weil damals fast alle Personenregister und Akten verbrannt wurden. Normalerweise schätzt man diese Zahl bis Ende 1945 auf cirka 140 Tausend in Hiroshima und cirka 70 Tausend in Nagasaki.
Das Leben der Überlebenden nach dem Krieg
Viele Überlebende haben Verwandte, Häuser, Vermögen und den Arbeitsplatz verloren. Ein Teil der Hibakusha konnte wegen der Strahlenkrankheit nicht genug arbeiten und nicht genug Geld verdienen. Weil es bis 1957 keine Hilfe der Regierung gab, sind die meisten nach der Kriegszeit in wirtschaftliche und gesundheitliche Not geraten. Ihre Stimmen hat die Japan Confederation of Atom- and Hydrogen Bomb Sufferers Organizations in einer Umfrage im Jahr 2005 gesammelt.
Ein Mann, der im Alter von elf Jahren in Hiroshima geschädigt wurde, blickt auf sein Leben in der Baracke zurück:
"Nach dem Krieg ist meine Familie auseinander gegangen. Ich musste in der Stadt in der Baracke wohnen. Damals hatte ich kein Lebensmittel und wurde ich zum widermenschlichen Leben gezwungen. Obwohl ich alles machte, um zu überleben, ist es eine Sünde, dass ich die Sittlichkeit gebrochen habe, von anderen Leuten den Besitz gestohlen habe und viele Verbrechen begangen habe. Weil ich auf dem Gewissen habe, dass ich sündvoll gelebt habe, quäle ich mich damit, wie ich weiter leben soll."
Ein anderer Mann, der im Alter von 18 bei einem Gang in die Innenstadt von Hiroshima verletzt wurde, hat über den Schaden an seiner Gesundheit und die Schwierigkeit bei der Arbeit folgendermaßen geschrieben: "Meine Haare wurden schon in den Zwanzigern spärlich und ich wollte mir ernsthaft mein Leben nehmen. Weil ich durch die Strahlen geschädigt wurde und bis jetzt kränklich bin, habe ich jeden Tag Angst. Ich konnte nicht arbeiten wie die Anderen und mein Einkommen hat nicht zugenommen und ich wurde von meinem Chef vermahnt. So läuft mein Leben mit knapper Not bis heute. Jetzt denke ich, was war mein Leben, wenn ich mich an meine Vergangenheit erinnere."
Diskriminierung
Weil die USA während der Besetzung bis 1952 durch die Zensur die Weitergabe an Wissen über die Atombomben beschränkt hatten, besaßen die Japaner lange Zeit nur wenige Erkenntnisse über die Atombombe und ihre Schäden. Eigentlich kannten weder Forscher noch Ärzte weltweit in der frühen Phase die Effekte der Strahlen genau, weil die Strahlenkrankheit durch die Atombomben in Hiroshima und Nagasaki zum ersten Mal in der Geschichte so verbreitet war. Deswegen wurden die Hibakusha oft aufgrund von falschen Vorurteilen diskriminiert.
Die vielen Leute haben zu Unrecht befürchtet, dass die Strahlenkrankheit ansteckend ist. Zum Beispiel hat eine Frau, Chiyono Yoneda, die im Alter von 19 Jahren in Nagasaki von der Strahlung betroffen wurde, so berichtet:
"Ich bin 1958 wegen der Versetzung meines Manns nach Tokio umgezogen. In diesem Dezember hat meine Mutter uns Lotoswurzeln geschenkt. Weil sie sehr gut waren, habe ich sie meinen Nachbarn gegeben. Am nächsten Tag wurden die Lotoswurzeln, die ich gegeben hatte, auf den Schuttabladeplatz weggeworfen. Eine Klassenkameradin meiner Tochter, die in der Nachbarschaft gewohnt hatte, ist zu uns gekommen, um meine Tochter abzuholen. Da hat sie zu mir gesagt: Frau, du darfst nicht die Lotoswurzeln essen, weil du dich bei denen mit der Krankheit der Atombombe anstecken wirst, wenn du sie gegessen hättest. Auch meine Tochter Akiko sollte sie nicht essen, weil sie sterben würde, wenn sie sie gegessen hätte."
Auch bei der Eheschließung müssen Hibakusha und ihre Nachkommen oft Schwierigkeiten gegenüberstehen. Eine andere Frau, die im Alter von 23 Jahren in Nagasaki die Explosion erfahren hat, erzählt:
"Weil ich in meinem Gesicht, an beiden Armen und Beinen und an meinem ganzen Körper Wunden hatte, konnte ich nicht verbergen, dass ich eine Hibakusha ist. Deswegen habe ich in dem Heiratsalter meiner Tochter sehr gelitten. Weil ich eine Hibakusha war, sind verschiedenen Versprechen, meine Tochter zu heiraten, viele Male gescheitert. Deswegen ist mein Herz mit dem Gefühl gefüllt, dass ich mich bei meiner Tochter dafür entschuldigen soll."
Angst und Schuldbewusstsein
Weil die Strahlenkrankheit in der späteren Zeit durch verschiedene Symptome wie Blutkrebs bei den Hibakusha hervorkam, haben sie immer weiter große Angst um die eigene Gesundheit. Aber sie haben auch Angst vor den Auswirkungen der Strahlenkrankheit auf ihre Nachkommen.
Zum Beispiel hat eine Frau, die im Alter von vier Jahren in Hiroshima geschädigt wurde, so über ihre Angst geschrieben:
"Nachdem ich in 1969 geheiratet hatte und in andere Präfektur umgezogen war, hat meine Schwiegermutter mir zuerst gesagt, dass ich ein missgebildetes Kind gebären würde. Ich habe nur eine Tochter. Als sie geboren wurde, habe ich um Mitternacht ihren ganzen nackten Körper überprüft. Weil sie als ein normales Kind geboren wurde, habe ich mich wirklich gefreut und konnte wegen meiner Freude keine meiner Tränen stoppen. Damals wünschte ich von ganzem Herzen, ich wäre keine Hibakusha."
Viele Hibakusha haben auch das unvorstellbare Jammerbild von vor 60 Jahren nicht vergessen und haben ein andauerndes Schuldbewusstsein.
Ein Mann, der im Alter von 16 Jahren in Nagasaki geschädigt wurde, fühlt auch jetzt noch so:
"Weil ich nach dem Abwurf der Atombombe nicht sofort zu Ground Zero gehen konnte und meinen Bruder nicht suchen und retten konnte und sowohl Furcht als auch Leid als auch Schmerz direkt unter dem Abwurfort der Atombombe überhaupt nicht mit ihm teilen konnte und ich den Leuten gar nicht helfen konnte, obwohl ich sie gesehen hatte, wie sie mich um Wasser angefleht hatten und auf dem Boden liegen geblieben waren, bleibt das ohnmächtige Trauma in meinem Herz. Obwohl ich heiraten und Kinder und Enkelkinder bekommen und eine normale und friedliche Familie aufbauen konnte und mit ihrer herzlichen Unterstützung bis heute gelebt habe, fühle ich mich noch schuldbewusst, weil ich mich an meinen Bruder, dem seine glänzende Zukunft geraubt wurde, und an den Gram meiner Verwandten, Freunde und vieler anderer Leute, die geopfert wurden, und an den damaligen schrecklichen Anblick auch jetzt erinnere und trotz ihrer Tode überlebe."
Schweigen der Überlebenden
Unter den Hibakusha, die meistens mehr oder weniger sowohl körperliche als seelische Schwierigkeiten haben, gibt es zwei Verhaltensarten. Die erste ist zu schweigen. Für die Überlebenden ist es sehr schmerzhaft, sich an ihre Erfahrung in den zerstören Städten zu erinnern. Deswegen hat der größte Teil der Hibakusha eigene schmerzhafte Erfahrung im Geheimen gehalten und verschwiegen, um ihre traumatischen Erinnerungen zu vergessen oder Diskriminierung von sich selbst und ihren Familien zu vermeiden.
Eine Frau, die 17 Jahre alt war, als Hiroshima getroffen wurde, schweigt auch in der Gegenwart, 60 Jahre nach dem Abwurf der Atombombe:
"Ich erkläre nicht, dass ich eine Hibakusha bin, bevor meine Kinder erwachsen sind. Ich sehe kein Fernsehprogramm über die Atombombe am 6. August. Obwohl ich aufgefordert wurde, über meine Erfahrung der Schäden von der Atombombe zu erzählen, kann ich nicht über ein solches Thema sprechen, weil die traurige Erinnerung an meine ältere Schwester, die durch die Atombombe getötet wurde, im tiefsten Innern meines Herzens liegen bleibt."
Es gab auch Hibakusha, die als �normale� Menschen leben wollten wie alle Anderen. Zum Beispiel hat ein überlebender Arzt, Yoshitaka Matsuzaka, so geschrieben:
"Die Leute in Hiroshima schweigen gern, bis sie den Tod aus der Nähe sehen. Wir wollen unser eigenes Leben und den Tod für uns selbst behalten. Fast alle Denker und Literaten haben den Hibaksha empfohlen, dass sie aufhören sollen zu schweigen. Ich hasste diese Leute, die unser Gefühl des Schweigens nicht verstehen können. Wir können uns für den 6. August nicht öffnen. Wir können nur mit den Toten still den 6. August verbringen."
Der Arzt geht noch weiter und fragt, on Hibakusha nicht auch wie �normale� Menschen streben können:
"Müssen alle Hibakusha an den Folgeschäden elend sterben? Ich habe mir übergelegt, ob Hibakusha beim Tod sowohl Krankheit als auch Schuldbewusstsein als auch Minderwertigkeitsgefühle überwinden können und als normale Menschen natürlich sterben dürfen. Bitte denken Sie nicht, dass die Tode der Hibakusha Daten für politische Behauptungen an anderer Stelle sind. Bitte vergessen Sie nicht, dass es optimistische Hibakusha gibt, die nicht als Beispsiel für den Widerstand gegen Atombomben benutzt werden, sondern ihr Leben als normale Menschen ohne die Folgeschäden der Strahlen wiederherstellen wollen."
Gegen das Schweigen
Nicht alle Hibakusha haben immer geschwiegen. Viele Hibakusha haben sich bei der Friedensbewegung betätigt und sind auch heute noch aktiv, wegen ihres Zorns und ihrer Angst vor Kernwaffen. Ein berühmter Komödiant, Rokurou Okada, Künstlername Edoya Nekohachi, hat sich zur Rettung der Geschädigten als Soldat nach Hiroshima begeben. Er hat nach dem Krieg nie über seine Erlebnisse in Hiroshima gesprochen und wollte niemals wieder Hiroshima betreten. Aber er hat 1983, 38 Jahren nach dem Abwurf, zum ersten Mal in einem Fernsehprogramm über seine Erfahrungen berichtet. Er hat den Grund dafür so erklärt:
"Über die Atombombe wollte ich früher niemandem erzählen und selbst nicht daran denken wegen meiner Angst. Aber mein Gefühl hat sich ziemlich geändert, weil ich über die jüngste Situation um Kernwaffen sehr wütend bin. Ich denke jetzt, dass ich auf der Bühne als Komödiant Edoya Nekohachi über Hiroshima reden und auch als Bürger Rokurou Okada Hiroshima der Nachwelt überliefern muss."
Auch eine Frau, die im Alter von 14 Jahren in Hiroshima geschädigt wurde, hat ihre Meinung dazu geäußert: "Hibakusha sprechen nicht aus dem Bewusstsein als Geschädigte heraus, sondern aufgrund des Wunsches, dieses Leiden niemals den Leuten der ganzen Welt zu geben. Nach meiner Ansicht über die gegenwärtige Welt wird die Bedrohung durch Kernwaffen immer und immer größer. In der nahen Zukunft werden Hibakusha aussterben. Ich wünsche, dass Hibakusha die eigenen Erfahrungen, über die nur Hibakusha sprechen können, hinterlassen und das Verlangen nach dem Frieden, den sich die Hibakusha herzlich wünschen, der nächsten und übernächsten Generation überliefert wird."
In dieser Weise haben sich viele Hibakusha von Hiroshima und Nagasaki entschlossen, an der Bewegung gegen Atom- und Kernwaffe teilzunehmen und ihre Erfahrung zu erzählen, um ihre eigenen Leiden in der Zukunft niemand erfahren zu lassen. Natürlich war diese Wahl nicht einfach, weil es für die Hibakusha sehr schmerzhaft ist, die grausamen Szenen von Hiroshima und Nagasaki immer zu wiederholen. Obwohl sie schon sehr alt sind, engagieren sich viele Hibakusha noch in der Gegenwart für die Abschaffung der Kernwaffe und der Realisierung der staatlichen Entschädigung.
Fazit
Wie wir bisher gesehen haben, haben die Atombomben nicht nur in der kurzen Zeit nach dem Abwurf, sondern auch bis heute das Leben der Hibakusha in Hiroshima und Nagasaki beeinflusst. Hibakusha müssen nicht nur an den Folgeschäden der Strahlenkrankheit, sondern auch an der wirtschaftlichen Not, der Diskriminierung, der traumatischen Erinnerungen und dem Schuldbewusstsein leiden.
In dieser Lebenssituation gibt es zwei Möglichkeiten, mit dem Erlebten umzugehen. Die erste ist zu schweigen, um zu vergessen und als ein normaler Mensch zu leben. Die zweite Wahl ist, ihre Erfahrung anderen zu berichten, damit verhindert wird, dass die Hölle auf Erden durch die Kernwaffe sich wiederholt.
Aber die Wahl der Hibakusha schwankt immer wieder. Während ein Teil der Überlebenden sich nach dem Krieg sofort in der Friedensbewegung engagierte, haben die meisten bis zu ihren Tod geschwiegen. Während ein Teil der schweigenden Überlebenden später angefangen hatte, zu berichten, gab es Überlebende, die einmal ihre eigene Erfahrung erzählt und später wieder geschwiegen haben. Zu diesem schwierigen Entschluss werden Hibakusha wegen ihrer weltgeschichtlichen Erfahrung immer wieder gezwungen, auch in der Gegenwart, 60 Jahre nach dem Abwurf der Atombomben.
|