Alles beim Alten - trotz bitterem Beigeschmack
WIRTSCHAFT | HINTERGRÜNDLICH (15.09.2006)
Von Michael Billig | |
Die Initiative für eine Kampagne gegen die Politik von Coca Cola in Kolumbien informiert weiter. Doch Menschenrechtsverletzungen kann sie in dem südamerikanischen Land nicht verhindern. Die, die es könnten, unternehmen scheinbar nicht genug. Ansonsten wäre Señor Bonilla vielleicht noch am Leben. Verantwortlich für dessen Ermordung sei die kolumbianische Regierung unter Präsident Àlvaro Uribe Vèlez. Sie betreibe eine Vernichtungspolitik gegen Gewerkschaften und soziale Bewegungen, heißt es in einer Stellungnahme der Kampagne. Bonilla habe nicht nur die Interessen seiner Arbeitskollegen bei einer staatlichen Erdölfirma vertreten, sondern auch an Aktivitäten der Gewerkschaft Sinaltrainal gegen Coca Cola teilgenommen. Der Getränkehersteller war in den vergangenen Monaten öffentlich in die Kritik geraten, weil er seine Mitarbeiter nicht ausreichend schütze und aus den Menschenrechtsverletzungen Profit schlage. (iley berichtete, 05/2006) Ruinierte Werbung an der HdBK in Berlin. (c) Kolumbien-Kampagne In Deutschland droht das transnationale Unternehmen zunehmend an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Kritische Stimmen mehren sich und rufen zum Boykott von Coca-Cola-Produkten auf. Das Studierendenparlament der Kölner Universität hat einen solchen beschlossen. Coke, Fanta, Sprite, Lift, Mezzo Mix und Bonaqua sollen aus den Regalen der Mensa verschwinden. Doch bisher konnte das Kölner Studentenwerk, welches den Vertrag mit Coca Cola hat, diese Forderung nicht umsetzen, mangels finanzierbarer Alternativen. "Coca Cola hat das günstigste Angebot. Sie stellen auch Getränke- und Pfandrückgabeautomaten kostenlos zur Verfügung", argumentiert Dr. Peter Schink, Geschäftsführer des Kölner Studentenwerks. Das öffentliche Vergabeverfahren des Auftrags sehe keine moralischen Maßstäbe vor. Schink wundert sich hingegen, dass trotz Boykottaufrufen und zunehmender medialer Aufmerksamkeit sich am Umsatz mit Coca-Cola-Produkten nichts geändert habe. Die Studierenden konsumieren wie gewohnt. Er wolle nun erst mal schauen, was die Kollegen anderer Studentenwerke über einen Boykott denken. Schink hat vor, das Thema Ende diesen Monats bei einer bundesweiten Tagung der Geschäftsführer anzusprechen. "Wirklich Sinn macht es doch nur, wenn sich eine breite Front bildet." Ob sich durch einen Boykott Druck auf die Verantwortlichen des global agierenden Konzerns ausüben lässt, erscheint zweifellos etwas fraglich. Kai Falk, Direktor für Kommunikation bei Coca Cola, würde eine solche Entscheidung bedauern und gibt zu Bedenken: "Das Unternehmen mit seinen Arbeitnehmern in Deutschland darf nicht pauschal für die politische Lage in Kolumbien verantwortlich gemacht werden." Mit Entlassungen als direkte Konsequenz sei jedoch nicht zu rechnen. Rund 12 000 Mitarbeiter sind hierzulande bei dem Brausehersteller in 25 Abfüllbetrieben und an über 80 Distributionsstandorten beschäftigt. Deutschland ist Coca-Cola-Land Doch nicht nur als Arbeitgeber sondern auch als Sponsor spielt das Unternehmen in der Bundesrepublik eine bedeutende gesellschaftliche Rolle, insbesondere im Bereich Sport. Nahezu alle Mannschaften der 1. und 2. Fußball-Bundesliga bekommen ihre finanzielle Dosis ab. Der Deutsche Fußball Bund (DFB) hat gerade erst beschlossen, weitere zwei Jahre mit Coca Cola zusammen zu arbeiten. Auf einer Pressekonferenz vor dem EM-Qualifikationsspiel gegen Irland gab Teammanager Oliver Bierhoff bekannt, dass er sich freut, seinen Werbevertrag ebenfalls bis 2008 verlängert zu haben. Kein Journalist fragt ihn, ob er von den Vorwürfen gegenüber Coca Cola wisse. Stattdessen steht zur Debatte mit welchen Marken-Schuhen die Nationalspieler künftig auflaufen. Dabei hatte die Kolumbien-Kampagne Bierhoff und Mannschaftskapitän Michael Ballack in einem Offenen Brief aufgefordert, ihre Werbeeinkünfte den Angehörigen der ermordeten Gewerkschafter zur Verfügung zu stellen. "Bisher gab es keine Reaktion von Bierhoff und Co", so Raul Zelik von der Kampagne. Vielleicht hätte er bei Johannes B. Kerner nachfragen sollen. Fünf Millionen Euro soll Coca Cola der Werbeauftritt des Fernsehjournalisten mit dem Tafelwasser Bonaqua wert gewesen sein. "Das ist kein schlechtes Wasser. Die haben mich angesprochen", erzählte Kerner damals einem Journalisten der Berliner Zeitung (12.4.04). Geld habe bei seiner Entscheidung, Werbeträger von Coca Cola zu werden, natürlich eine Rolle gespielt. Werbestrategisch ein genialer Schachzug des Unternehmens, denn ihr Produkt profitiert von der Glaubwürdigkeit des im TV allgegenwärtigen Moderators und Journalisten. Dafür war Kerner im Vorfeld der Fußball-WM in die Kritik geraten. Das ZDF setzt trotzdem auf eine weitere Zusammenarbeit mit ihm. Allerdings müsse er Werbeaufträge künftig genehmigen lassen. Hierfür ist das Selbstverständnis von der Unabhängigkeit des Journalisten entscheidend, weniger moralische Bedenken, inwieweit die Vorwürfe gegenüber Coca Cola zutreffen. Außerdem hat ein Gericht in Miami sowie ein Ermittlungsverfahren kolumbianischer Behörden keine Beweise erbracht, dass Coca Cola in die Morde an kolumbianischen Gewerkschaftern verwickelt ist. Kai Falk hält den Vorwürfen entgegen, dass, wenn Mitarbeiter in ihren Rechten bedroht werden, sie aktiv geschützt würden. Die Wege von Zuhause zur Arbeit seien in Kolumbien besonders gefährlich. Deswegen habe man beispielsweise Mobiltelefone für einen Notruf verteilt und einen Shuttleservice eingerichtet. Trotzdem hat Coca Cola vor zwei Monaten angekündigt, dass eine Kommission der Internationalen Arbeiter Organisation (ILO) noch in diesem Jahr die Vorfälle untersuchen werde. Ein Konzept dafür sei schon erarbeitet worden. "Wir haben vollstes Vertrauen in die Untersuchung", so Falk. Er wisse jedoch nicht, ob die Kommission bereits vor Ort ist. Auch Raul Zelik von der Kolumbien-Kampagne ist diesbezüglich ahnungslos. Er zweifelt aber wiederholt die Unabhängigkeit dieser Kommission an, weil sie ohne Absprache der betroffenen Gewerkschaft Sinaltrainal zustande gekommen sei. "Auf die ILO-Kommission kann Coca Cola Einfluss ausüben. Das Unternehmen ist als Arbeitgebervertreter in der ILO präsent." Es steht Aussage gegen Aussage. Das macht den Kampf um die Glaubwürdigkeit umso wichtiger. Die Bauernopfer sind die Arbeitnehmer und ihre Familien in Kolumbien. Carlos Arturo Montes Bonilla hinterlasse eine Frau und sieben Kinder, informiert die Kampagne, die im August Nachricht vom Tod des Gewerkschafters erhielt. Auf der sicheren Seite stehen die Konzern-Bosse in Atlanta und der kolumbianische Präsident Àlvaro Uribe Vèlez. |