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Vollkommen isoliert
GESELLSCHAFT | EIGENHEIM (15.02.2012)
Von Boje Maaßen
Der Trend geht zum Eigenheim. Nicht als kleiner Bauernhof, um eine teilweise Autarkie zu ermöglichen, sondern als reine Wohnburg, die eine nahezu vollkommene Isolation realisiert. Es geht aber auch anders, wie ein Beispiel in Hamburg zeigt.

Die aufwendige materielle Ausstattung, die vielfältigen Medienprogramme für soziale Bedürfnisse und das omnipotente Auto, das das eigene Haus ohne jeglichen Außenkontakt direkt erreichen lässt, machen die Besitzer und ihre Angehörigen nahezu unabhängig von Nachbarn, so dass keine Notwendigkeit und auch keine Zeit für Kommunikation und Interaktionen bestehen.
Zudem sorgen Zäune für Undurchdringlichkeit, dichte Hecken für Sichtschutz.
Die zur Straße zugewandte Seite ist in der Regel abweisend: eine stets geschlossene Tür, das obligate Toilettenfenster, der Rest ist Mauer. Zusätzlichen Schutz bietet die davor liegende tempelartige Garage. Auch vermute ich, dass der oft beschworene Ausgleich durch Gartenarbeit mit Hilfe von motorenbetriebenen Rasenmähern und Geräten gar nicht so wirksam ist, sondern schnell einer klammheimlichen Freude weichen würde, wenn die Betroffenen von dieser entfremdeten Arbeit befreit wären.
Die im Durchschnitt 700 Quadratmeter großen Grundstücke erzeugen eine riesige Nachfrage nach Bauland, es entsteht ein Siedlungsbrei, der sich unstrukturiert und ungebremst in die Landschaft ergießt - zusätzlich erweitert durch das ständig sich vergrößernde Straßennetz.

Offenes Wohnen

Andreas Fromm

Neues Eigenheim in Klein-Borstel in Hamburg. Architekten: SEHW Architekten GmbH (c) Andreas Fromm


In Hamburg habe ich nun ein Wohnkonzept kennen gelernt, das sich von dem Ideal der oben beschriebenen Eigenheimsiedlung abwendet, ohne den legitimen Wunsch nach einem absolut intimen Privatbereich aufzugeben. Aber dieser Bereich ist auf ein menschliches Maß zurückgefahren. Jenseits der Privatsphäre findet ein nahezu unmerklicher Übergang vom Wohn- und Außenbereich zum gemeinsamen öffentlichen Raum und zu den näheren Nachbarn statt. Die Grenzen werden nur durch kniehohe Buchenhecken angedeutet.
Wegen dieser Aufhebung der scharfen Trennung von Privat und Öffentlich vergrößert sich der Möglichkeitsraum beträchtlich, zumal Autos konsequent aus diesem Bereich ausgeschlossen und in die Tiefgarage verbannt sind.
Rasenflächen, Fuß- und Radwege, Baumgruppen, Bänke und Spielmöglichkeiten für Kinder sorgen für mehr Lebendigkeit und Natur. Diese offene Struktur erleichtert beträchtlich Kommunikation und Interaktionen - nicht zuletzt für Kinder.
Nähe ermöglicht Vieles, wird hier also als Chance begriffen, was sie ja auch ist. Bürger dieser Wohnform haben keine neurotische Angst, wenn ein Teil ihres Privatlebens für andere Augen zugänglich ist, falls überhaupt ein Interesse vorhanden ist.
Das Wohngebiet liegt in einem relativ ruhigen Stadtviertel. In unmittelbarer Nähe befinden sich eine Schule, ein Kindergarten, kleine Läden und eine S-Bahn-Station, so dass man dort problemlos auch autofrei leben könnte.
Aus meiner Sicht bietet dieses Konzept zusammengefasst folgende Vorteile: weniger Landschaftsverbrauch, geringeres Verkehrsaufkommen, beträchtliche Zunahme von ästhetischer Qualität und realer Nachbarschaft, intensivere Kommunikation und Interaktionen, Stärkung von betretbarem (wortwörtlich) öffentlichen Raum, Vergrößerung des Naturanteils in der unmittelbaren Umgebung.
   




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