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Malaiische Impressionen
REISE | DIPLOMARBEIT IM PARADIES (15.09.2005)
Von Julia Roller
Es gibt wahrlich schlimmere Orte, als dieses verträumte kleine, vom Regenwald umgebene Fischernest an der malaiischen Westküste, um seine Diplomarbeit zu schreiben.

Der Körper ruht noch, der Geist weilt in nicht mehr fassbaren Gefilden, kommt langsam zu sich. Ein gleichmäßiges Rauschen im Hintergrund suggeriert Ärger auf den ständig hastenden, wer-weiß-wohin eilenden Menschen in seinen stinkenden Blechkisten. Plötzlich ein fast schon hörbares Klicken im Schädel, das Hirn wird wach und merkt "ich bin weit weg von dem allem, weit weg von meinem Luxusheimatland mit seinen Luxusmenschen in ihren Luxuswohnungen, angefüllt mit ach so unentbehrlichem Zivilisationstand?" und lächelt beim Erkennen des Meeres. Und weiß, dass der Tag genauso verabschiedet wird, wie er beginnt, lächelnd und meeresrauschend. Wie zur Bestätigung hebt der Gibbon im Dschungel sein Morgenlied an und begrüßt den Tag.

Der Wald. Zunächst flirrende Hitze und greller Lärm an seiner Peripherie, dann plötzlich samtiges Halbdunkel und eine Stille, die nach näherem Hinhören doch keine ist. Rascheln, Krabbeln, gedämpfte Vogeltriller; ab und an der Warnruf eines Makaken oder eines von der Gestalt her nicht erkennbaren Vogels, zu gut angepasst an seine natürliche Umgebung, als dass unsereins ihn im variierenden Grün ausmachen könnte. Allein die nicht endend wollenden Kolonnen unzähliger Ameisen und Termiten lassen sich nicht stören und setzen unbeirrbar ihren Weg ums Überleben fort. Hin und wieder ein leuchtender Farbtupfer im undurchdringlichen Wirrwarr der Vegetation, eine stammaufsitzende Blüte, das kurze Aufblitzen eines prallbunten Gefieders. Der Waldboden fast schon enttäuschend braun, wo ist das Grün? Doch was soll bei diesem geringen Lichtangebot so tief unten schon wachsen?! Die wenigen durch die obersten Kronenstockwerke durchdringenden Sonnenstrahlen tanzen durch die feuchte Luft und machen sie durch die winzigen Wasserpartikel sichtbar. Schon nach wenigen Schritten ersäuft man halb im eigenen Saft, der unaufhaltsam seinen Weg in die Augen, die Nase den Mund, die Ohren findet. Sorgsames Umherblicken, um den eventuell vom Geäst herabhängenden Schlangen zu entgehen, kein seltenes Tier zu übersehen. Ein Innehalten scheint kaum erlaubt ob der Schwärme von Moskitos, die nur auf ihre Chance warten, einem das süße Blut abzuzapfen und lästige Stiche zu hinterlassen, die bei leichtsinnigem Aufkratzen und sorglosem Umgang zu hässlich eiternden Wunden werden können. Dennoch ein geringer Preis für die Vielfalt und die ausstrahlende Ruhe dieses natürlichen Einklangs.

Es wird mir fehlen, das alles. Die knarrend rufenden Geckos an der Zimmerdecke, die stetig warmen Füße und Hände, die neugierig-argwöhnischen Blicke der Kinder, die exotischen Früchte, natürlich der Wald und das Meer, selbst das Schreien der Hähne im Morgengrauen und der permanente Schweißfilm auf der Haut. Man hofft, möglichst viel der hier getankten Energie, die sich vor allem in einer ungeheuer entspannten inneren Ausgeglichenheit bemerkbar macht, mit nach Hause nehmen zu können, um dem dortigen stressigen, mit überflüssigen Gedanken voll gepacktem Alltag mit der nötigen Gleichmut gegenüber treten zu können. Zum Glück ist die Welt groß genug und birgt noch viele solcher magischer Orte, die nur auf einen warten, sollten die Batterien eines Tages wieder geleert sein.
Die Koffer sind gepackt.
   

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