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Visueller Quantensprung
WIRTSCHAFT | DIGITALES FERNSEHEN (15.08.2005)
Von Oliver Lackorn
Zur Fußballweltmeisterschaft 2006 soll es bereits in Deutschland verfügbar sein. Die USA und Japan sind längst damit ausgerüstet. Und irgendwann soll dieser neue Standard weltweit Verbreitung finden. Die Rede ist vom Hochauflösenden Fernsehen - High Definition Television (HDTV).

Breiter, höher, flacher - so könnte man mit wenigen Worten die Entwicklung der Fernsehgeräte in der Vergangenheit und die Prognose für die Zukunft beschreiben. TFT- Fernseher, Plasma-TV und Videoprojektor entwachsen allmählich ihren Kinderkrankheiten und laufen den herkömmlichen Röhrenfernsehern den Rang ab. Die Bilddiagonalen steigen beständig, der Betrachtungswinkel wird immer größer, die Verzögerungszeit vernachlässigbar, Kontrast, Helligkeit und Farbbrillanz erlauben einzigartiges Sehvergnügen - der Traum vom Heimkino scheint wahr zu werden. Allerdings gibt es einen entscheidenden Haken an der Sache: Die Auflösung.

Technischer Hintergrund

Die in Deutschland und weiten Teilen Europas verantwortliche PAL-Fernsehnorm (Phase Alternating Line) schreibt eine Auflösung von 720 Linien und 576 Zeilen vor. Das Fernsehbild besitzt ein Seitenverhältnis von 4:3. Dieses Bild wird per Zeilensprungverfahren übertragen, d. h. es werden zuerst die ungeraden Zeilen eines Bildes gesendet und zeitlich versetzt die geraden Zeilen desselben Bildes. So stellt der Fernseher pro Sekunde 50 Halbbilder bzw. 25 versetzte Vollbilder dar. Durch die Trägheit des menschlichen Auges wird dieser Effekt nicht wahrgenommen. Die PAL-Norm gilt seit den 60-iger Jahren und war zur damaligen Zeit mit ihren geringen Bildschirmdiagonalen sicher ausreichend. Angesichts der derzeitigen Entwicklung wird aber die Forderung nach Verbesserung deutlich. Denn steigt die Bilddiagonale, ohne das die Auflösung des Bildes ebenfalls erhöht wird, so wird die Bildqualität zwangsläufig schlechter. Einzelne Bildpunkte sind vom Betrachter auszumachen, an schrägen Linien stellen sich Treppenstufen-Effekte ein, das Bild wirkt grobkörnig und unscharf.

User Rebroad von Wikipedia (en)

Ein 82 Zoll LCD-Display der Firma Samsung. (c) User Rebroad von Wikipedia (en)

Genau an dieser Stelle setzt das Hochauflösende Fernsehen HDTV an. Wie der Name vorgibt, wird das übertragene Fernsehsignal bei HDTV mit einer wesentlich höheren Auflösung gesendet, als es jetzt bei PAL der Fall ist. Bei der größtmöglichen HD-Auflösung von 1920 mal 1080 Bildpunkten bedeutet dies ein fünfmal schärferes Bild. Dies gewährleistet ein hochwertiges Sehvergnügen mit Zukunftssicherheit, selbst bei Videoprojektoren mit mehreren Metern Bilddiagonale. Doch schon die niedrige HD-Auflösung von 1280 mal 720 Pixeln wird vom Betrachter als deutlich besseres Fernsehbild wahrgenommen. Das Seitenverhältnis beträgt in beiden Fällen 16:9 und ist damit dem Blickfeld des menschlichen Auges angepasst.
Durch die im Vergleich zu PAL höhere Auflösung steigt allerdings die Datenmenge und damit die Anforderung an die Kapazität des Übertragungskanals bzw. des Speichermediums. Deshalb basiert HDTV auf digitaler Technik, die es erlaubt, große Datenmengen effektiv zu komprimieren. Außerdem ist die Digitaltechnik weniger anfällig gegenüber Störungen.

Als technologische Basis dient hier der Übertragungsstandard Digital Video Broadcasting (DVB), welcher gegenwärtig bei der Fernsehübertragung Verwendung findet. Dessen Gegenstück im Bereich der digitalen Radioübertragung heißt DAB (Digital Audio Broadcasting). Bei DVB wird das Fernsehbild zwar noch in niedriger PAL-Auflösung, dafür aber vollständig digital gesendet. Durch dieses Verfahren bleibt durch die digitale Komprimierung sogar noch Platz für die Übertragung von Raumklang-Ton. Wie aufwändig solche Komprimierungsverfahren für Bild und Ton sein müssen wird deutlich, wenn man bedenkt, dass dem HDTV-Bildsignal inklusive Mehrkanal-Ton nicht mehr Kapazität im Übertragungskanal zur Verfügung steht als einem herkömmlichen PAL-Bildsignal mit Stereo-Ton. Der Übertragungskanal als Flaschenhals im System lässt sich aber nicht ohne weiteres vergrößern. Hier setzt die Physik ihre Grenzen. Ferner ließe sich der Übertragungskanal nicht vergrößern, ohne die Anzahl der Fernsehkanäle zu verringern. Deshalb gilt das aus dem Computerbereich bekannte MPEG4-Komprimierungsverfahren (DivX) als möglicher europäischer HDTV-Kandidat. Es verwendet eine ausgeklügelte Methode, um die Datenmenge zu begrenzen, ohne die Qualität merklich zu schmälern. Bereits bestehende HDTV-Normen, z. B. in den USA, verwenden das etwas ältere von der DVD bekannte MPEG2-Verfahren.

Was ist zu erwarten?

Natürlich erfolgt ein solch gravierender technologischer Wandel weder schlagartig noch ohne größeren (finanziellen) Aufwand. Schließlich gilt es eine komplette Branche umzukrempeln, und zwar von der Aufnahme der ersten Bilder über Schnitt, Bearbeitung und Archivierung bis hin zum Empfang am heimischen Fernsehgerät. Ziel ist es, den digitalen HDTV-Standard vom Anfang bis zum Ende dieser Kette zu integrieren. Damit haben herkömmliche Filmkameras und Kinoprojektoren mit ihren 35mm-Streifen langfristig ausgedient.

Filme, egal ob für Kino oder als Fernsehfassung, werden digital aufgenommen. Die Bearbeitung des Rohmaterials erfolgt mit dem Computer. Für die Archivierung stehen Massenspeicher bereit, die ebenfalls aus dem PC-Bereich übernommen werden. Gesendet wird digitales Bild- und Tonmaterial, das bis zum Endgerät im Haushalt digital bleibt, und dort mit Hilfe von zusätzlicher Elektronik umgewandelt und am Bildschirm darstellbar gemacht wird.
Dafür werden beim Zuschauer neue Geräte benötigt. Der Fernseher muss die hohe Auflösung des HDTV-Bildes zumindest annähernd darstellen können, damit der Betrachter in den Genuss der höheren Auflösung kommt. Kleinere Differenzen in der Auflösung zwischen Signal und Bildschirm lassen sich per Elektronik ausgleichen.

Herkömmliche Röhrengeräte mit ihrer festen PAL-Auflösung scheiden da aus. Auch viele ältere Plasma-Fernseher bieten nur geringe Auflösungen. Ob sich der neu erworbene oder zum Kauf geplante LCD/Plasma/Beamer bereits für HDTV eignet, klärt das "HD-Ready"-Symbol am Gerät. Es wird vergeben, wenn das Gerät grundlegende HDTV-Kriterien erfüllt.

Zum Fernsehempfang via Kabel, Antenne oder Satellit kommen so genannte Set-Top-Boxen zum Einsatz, die das eingehende Signal dekomprimieren und an das Wiedergabegerät weiterleiten. Der Kauf eines solchen Gerätes ist unausweichlich; der Typ richtet sich nach der Art des Empfangsanschlusses im jeweiligen Haushalt. Allerdings ist noch nicht sicher, ob Hochauflösendes Fernsehen über alle drei Medien ohne technische Probleme verbreitet werden kann.

Für das Speichern und Archivieren von HDTV-Material gibt es zurzeit noch keine praktikable Lösung. Als digitaler Datenträger kommt neben dem analogen Auslaufmodell Videokassette lediglich die DVD in Betracht. Deren Kapazität ist allerdings bei dem hohen Datenstrom des Hochauflösenden Fernsehens zu gering. Hier gilt es auf den HD-Nachfolger der DVD zu warten: Advanced Optical Disc bzw. Blu-Ray-Disc.

Im Abschluss bleibt zur Dämpfung der allgemeinen Euphorie nur noch eines zu sagen: HDTV ist weder in Europa noch in Deutschland beschlossene Sache. An der Einführung dieses Standards besteht kein Zweifel. Fraglich ist nur, wann dies definitiv geschieht und wie die europäische Variante im Einzelnen aussieht. Bisher existiert eine Art Grundgerüst und der Wille, das Fernsehen zu revolutionieren. Die Umsetzung geht aber nur schleppend voran. Gründe dafür mag es viele geben, vor allem bürokratischer Natur. Als negativ prägendes Ereignis gilt auch die missglückte europäische HDTV-Weltpremiere, bei der in den 90er Jahren für das analoge Verfahren HD-MAC Millionen verschwendet wurden, bevor die Aussichtslosigkeit dieser veralteten Technik erkannt wurde. Seitdem war es still geworden um die neue Technik. Das Feld wurde den USA und Japan überlassen. Nun beherrschen diese den Markt, Japan als Initiator des HDTV und die USA mit gesetzlich gefordertem HDTV-Programmangebot. Die Europäer ordnen sich unter, schauen den anderen zu und übernehmen deren Spezifikationen für ihr HDTV-Konzept. Immerhin verlangt eine weltweite Umsetzung gemeinsame technische Richtlinien. Dieses Vorgehen ist zwar nicht elegant, aber sehr effektiv. Schließlich kann man aus den Fehlern anderer am besten lernen.

Weiterführende Links
http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Videores.pngVerschiedene gängige Videoanzeigeauflösungen im optischen Größenvergleich
http://www.heise.de/newsticker/meldung/63402Heise: Pro Sieben und Sat.1 senden ab Herbst in 1080i-Auflösung
   

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