Umgeben von Legenden
KULTUR | BESUCHT Die Wewelsburg (18.09.2010)
Von Michael Billig | |
Wewelsburg ist ein Dorf südlich von Paderborn. Hinter den Mauern der gleichnamigen Festung, die inmitten des 2000 Einwohner zählenden Ortes alles überragt, wird es unheimlich. Hier hatte Heinrich Himmler, Chef der SS in Nazi-Deutschland, ein Machtzentrum für seine verbrecherische Organisation aufbauen wollen. Jetzt ist dort die größte Ausstellung zur SS-Geschichte zu sehen. Eine besonders merkwürdige Anziehungskraft geht vom Nordturm der rund 400 Jahre alten Festungsanlage aus. Darin befinden sich zwei kultisch anmutende Räume, deren Türen für Besucher bislang verschlossen waren. Der eine ist die sogenannte "Gruft". Sie liegt unterirdisch. Der andere heißt "Obergruppenführersaal" und befindet sich im Geschoss darüber. Beide Räume verfügen über einen runden Grundriss und hohes Mauerwerk. Unten umgeben zwölf Podeste eine Feuerstelle, oben stehen zwölf Säulen um ein Bodenornament. Wer will, kann in dem Symbol zu seinen Füßen ein zwölfarmiges Hakenkreuz erkennen. Es hat erheblich zur Legendenbildung rund um die Burg beigetragen. Hat es an dieser Stelle eine germanische Kultstätte gegeben? Liegt in der Burg der Heilige Gral vergraben? „Nichts davon lässt sich wissenschaftlich beweisen“, sagt Kirsten John-Stucke, stellvertretende Museumsleiterin. Für sie sei das Ornament "einfach nur ein Sonnenrad". Der Volksmund hat es "Schwarze Sonne" getauft. Die Wewelsburg gilt nicht umsonst als Wallfahrtsort für Esoteriker, Satanisten und Neonazis. Museumsmitarbeiter achten verschärft darauf, dass sich niemand mit offensichtlich rechtsradikaler Gesinnung an den Exponaten ergötzt oder in den historischen Räumen seine Gesinnung zur Schau stellt. Das zu verhindern, so John-Stucke, sei trotz Überwachungskameras und geschulten Blicken nicht einfach. „Man kann es den Besuchern nicht immer ansehen.“ Die meisten seien aber harmlos. "Ideologie und Terror der SS" Wer die "Schwarze Sonne" sehen will, durchläuft die neue Dauerausstellung. Unter dem Titel „Ideologie und Terror der SS“ löst sie eine kleine historische Schau zur „Schutzstaffel“ (SS) von Wewelsburg ab. Die Ausstellungsmacher zeigen nun anhand von rund 1000 Exponaten, darunter viele originale Dokumente und Devotionalien, die Geschichte der "braunen Horden" in ganz Nazi-Deutschland. Biografische Daten und Fotografien der Burgmannschaft geben Einblick in das Leben der Menschen, die SS-Runen auf ihren Uniformen trugen. "Das waren ganz normale Familienväter", stellt ein Besucher beinah erstaunt fest. Erstaunt sind die einen, schockiert die anderen. Und wieder andere jagen mit einer kleinen Digi-Knipse und einer gewissen Portion Neugier nach selten Fundstücken. Himmlers Dienstkalender ist sicher so ein Objekt der Begierde. Den haben die Ausstellungsmacher bei einem Auktionshaus erworben. "SS-Reichsführer" Heinrich Himmler hatte 1934 ganz bewusst diese Festung in Beschlag genommen. Hier, im Kernland des Cherusker-Fürsten Hermann, wo einer alten Sage zufolge eines fernen Tages ein "Herr des Westens" in einer Schicksalsschlacht über ein "Herr des Ostens" siegen werde. Himmler soll sich dieser Geschichte erinnert haben, als seine Wahl auf die Wewelsburg fiel. John-Stucke: „Die SS wollte sich durch das Germanentum legitimieren.“ Im Schatten der Burg hatte es auch ein Konzentrationslager gegeben, das KZ Niederhagen. Die Häftlinge hatten für den Umbau der mittelalterlichen Festung herhalten müssen, mehr als 1200 von ihnen waren dabei ums Leben gekommen. Zur Vollendung ist der Plan, Burg und Dorf zu einem ideologischen Machtzentrum der SS auszubauen, nicht gekommen. Geblieben ist ein legendenumwobener Ort. Den versucht die Ausstellung zu entzaubern, etwa durch orangefarbene Sitzsäcke, die zum Fläzen über der „Schwarzen Sonne“ einladen. Beim genauen Hingucken fällt übrigens auf: Die "Schwarze Sonne" ist gar nicht schwarz. Sie ist grün. |