Der Hase Mvundla als Baumgeist
KULTUR | AUFGESCHNAPPT (16.06.2010)
Von Susanne Schafmann | |
Eine Geschichte über törichte Dinge und Dummköpfe... Eines Morgens kehrte eine alte Frau in aller Frühe von einer Feierlichkeit im Nachbardorf nach Hause zurück. Plötzlich stolperte sie und fiel hin. Die Ursache war ein kaputter Topf, der auf dem Weg lag und den sie in der Dunkelheit nicht gesehen hatte. Dessen Scherbe verletzte sie außerdem am Bein. Sie schimpfte und verfluchte denjenigen, der den Topf auf dem Weg hatte liegen lassen. Sie legte einen Bann auf den Erstgeborenen desjenigen, der sie so geplagt hatte: „Stumm soll er von nun an bleiben, bis einer kommt, der genauso törichte Dinge tut!" Dann humpelte sie nach Hause. In einem Dorf in der Nähe lebte ein armer Mann mit seiner Frau und einer kleinen Tochter namens Tembe. Die Eltern waren nicht mehr jung und hatten ihr ganzes Leben hart gearbeitet und doch hatte ihnen das Schicksal nur diese eine Tochter beschert. Wie bekümmert waren sie, als das Mädchen über Nacht die Sprache verloren hatte. Niemand wusste, wer solch einen Fluch über sie verhängt hatte, selbst die weisen Medizinmänner wussten es nicht. Das Mädchen blieb stumm. Es wuchs zu einer fleißigen und reizenden Schönheit heran, aber es gab niemanden, der eine Stumme heiraten und einen angemessenen Brautpreis zahlen wollte. Und das, wo doch die Eltern erhofft hatten, durch die Heirat zu ein wenig Wohlstand zu gelangen. Einen jungen Mann gab es aber doch. Er hieß Nthu und er wollte dem Mädchen, das er heimlich liebte, gerne helfen. Er sann darüber nach, was er tun könnte. Er kam zu dem Schluss, die Baumgeister zu bitten, sich des schönen Mädchens zu erbarmen: „Ich werde den Baumgeistern ein Geschenk anbieten und sie werden sie von dem Fluch befreien." Mitten in der Nacht ging nun Nthu zu einer mächtigen Euphorbie in der Nähe und erzählte den Baumgeistern die Geschichte des Mädchens. Was Nthu nicht wusste: Der Hase Mvundla hatte neben dieser Euphorbie seinen Bau. Der Hase, der durch die Stimme von Nthu geweckt wurde, hörte sich die Geschichte an. Der listige Hase beschloss, sich mit Nthu einen Spaß zu erlauben und seinen Vorteil daraus zu ziehen. Mvundla sprach nun mit verstellter Stimme: „Wenn ich dir helfen soll, was gibst du mir dafür?" Nthu antwortete: „Bitte, guter Geist, ich gebe dir alles, was du willst, wenn du dem Mädchen hilfst nach dem sich mein Herz verzehrt." Der Hase überlegte eine Weile, dann sprach er: „Wenn du mir jeden Tag frisches Gemüse und schmackhafte Früchte bringst, will ich mir überlegen, wie ich dem Mädchen helfen kann." Nthu brachte nun jeden Tag einen großen Korb mit dem Gewünschten zu der Euphorbie und der Hase ließ es sich gut gehen. Nach ein paar Tagen aber tat ihm Nthu wirklich leid und da er kein schlechter Hase war, beschloss er ihm zu helfen und das Mädchen Tembe kennenzulernen und zu heilen. Er hielt sich nämlich für ganz besonders fähig. Am nächsten Morgen lief er zu den Feldern von Tembes Vater und versteckte sich. Bald schon kam das Mädchen und fing an behutsam die mitgebrachten Setzlinge einzupflanzen. Als der Hase seine Hilfe anbot, beachtete sie ihn nicht. Da nahm Mvundla sich ein paar von den Setzlingen und pflanzte sie so ein, dass die Wurzeln in der Luft hingen und wollte so die Aufmerksamkeit des Mädchens auf sich ziehen. Als Tembe sich nun umdrehte und sah, was der Hase angerichtet hatte, da erhob sie die Faust, drohte ihm und schrie: „Oh, du törichter alter Dummkopf, was hast du getan?" Sie hielt inne und gewahrte, dass sie gesprochen hatte. Sie erstaunte, dann lachte sie laut auf und lief zu ihren Eltern, die mit ihr vor Freude lachten und weinten. Nthu ging nun zu den Eltern und bezahlte den Brautpreis für Tembe und ein großes Hochzeitsfest wurde gefeiert. Der Hase war am Feldrand sitzengeblieben und grummelte vor sich hin: „Diese Menschen, so sind sie, kein Wort des Dankes." Aber er dachte auch daran, das Nthu ihm vielleicht bald auf die Schliche gekommen wäre und ihn wohl nicht mehr lange mit dem köstlichen Gemüse versorgt hätte. Und so war auch Mvundla zufrieden mit sich und kehrte in seinen Bau neben der Euphorbie zurück. Das Original heißt "Der Hase und der Baumgeist" und ist im Buch "Meine afrikanischen Lieblingsmärchen", herausgegeben von Nelson Mandela, erschienen. |