Ein sächsisches Dorf kann auch anders
GESELLSCHAFT | FLÜCHTLINGSKRISE (27.02.2016)
Von Frank Fehlberg | |
Vor rund zwei Monaten musste auch das Dorf Wiederau, Landkreis Mittelsachsen, Flüchtlinge aufnehmen. 60 Männer, die meisten Anfang 20, fanden in einem Zeltlager vorübergehend ein Zuhause. Jetzt sollen sie verlegt werden. Doch die Dorfbewohner wollen, dass sie bleiben. Zeltlager für Flüchtlinge in Wiederau: Das Dorf kämpft für seine Flüchtlinge (c) Thomas Witte Menschlicher Pragmatismus Seither wächst neben der Zahl der Lagergegner auch die Zahl der Helfer. Für ein sächsisches Dorf - im selben Landkreis wie Clausnitz gelegen - hat sich eine außergewöhnliche ehrenamtliche Arbeit zur Einbindung der neuen Nachbarn in das alltägliche Leben entfaltet. Man fährt die Flüchtlinge in nahegelegene Städte, kocht mit ihnen, arbeitet mit ihnen, lernt mit ihnen Deutsch und vermittelt Patenschaften. Die Gegner lassen sich nicht von diesem Engagement beeindrucken, welches die angespannte Lage in geordnete Bahnen lenkt. Sie haben eine Unterschriftenaktion gegen das Lager angestrengt, rufen zur Demonstration gegen die Asylpolitik auf. Die Umstände schienen dem Landrat, dem Clausnitz noch in den Knochen steckt, nicht geheuer. Aus "wirtschaftlichen Gründen" ordnete er am Dienstag überraschend eine Verlegung aller Flüchtlinge aus der Ortschaft an. Die Flüchtlingshelfer konnten es nicht fassen - und handelten abermals pragmatisch. 60 Flüchtlinge und ihre Paten Um die 60 Männer aus dem Iran, Irak, Afghanistan, Syrien und dem Libanon im Ort zu halten, bereiteten die Helfer eine private Unterbringung vor. Am Donnerstag war es soweit. Sie nahmen die Flüchtlinge in ihre Wohnungen auf. Der angereiste Landrat staunte nicht schlecht über die entstandenen Strukturen und setzte die Verlegung der Flüchtlinge um vier Wochen aus. Dieser Vorgang dürfte im ländlichen Sachsen dieser Tage einmalig sein. Am heutigen Samstag (27.2.) zeigen Gegner und Helfer in Königshain-Wiederau Flagge. Die einen bei einer Kundgebung, bei der sie die "Gefahr für unsere Frauen und Kinder" betonen. Die anderen bei einem Friedensgebet, bei dem sie still die Bewältigung der Lage durch die alltägliche Arbeit mit Menschen in den Mittelpunkt stellen wollen. Dort werde ich sein, denn das ist meine Heimat. Update (01.03.2016) |