'Die libanesische Justiz ist nicht fähig, die Mörder zu finden'
POLITIK | INTERVIEW mit Minister Tarek Mitri (01.02.2011)
Von iley Redaktion | |
Das UN-Tribunal, das die Ermordung des Regierungschefs Rafik Hariri aufklären soll, teilt den Libanon in zwei Lager. Jüngst ist die Regierung an dem Streit zerbrochen. Der scheidende Minister Tarek Mitri war jetzt auf Kurzbesuch in Deutschland. Wir haben mit ihm über die Unfähigkeit der libanesischen Justiz und die Angst vor der Hisbollah gesprochen. Tarek Mitri (c) iley.de Tarek Mitri: Ich bin noch solang Minister, bis sich die neue Regierung gebildet hat. Im neuen Kabinett werde ich nicht sitzen. Ich gehöre zur alten Koalition, die nun entmachtet ist. Was bedeuten die politischen Veränderungen für Libanon? Mitri: Das Wichtigste ist, dass die Stabilität des Landes gewährleistet ist. Alles andere spielt erstmal keine Rolle. Wir sind trotz aller Widrigkeiten verpflichtet, den politischen Ablauf fortzuführen. Aber wir sind uns nicht sicher, wie die neue Regierung zum Tribunal steht. Der designierte Premierminister Nadschib Mikati hat sich dazu noch nicht klar geäußert. Er sagte, wir sollen im Dialog bleiben. Aber er selbst legt sich nicht fest, weder für noch gegen das Tribunal. Ich denke, er muss sich entscheiden. Wie stehen Sie zum Tribunal? Mitri: Der ehemalige Premierminister Rafik Hariri wurde im Februar 2005 ermordet und viele Menschen wurden bei diesem Terror-Anschlag mit ihm getötet. Zu dieser Zeit war Libanon unter syrischer Kontrolle. Zwei Monate später verließen die syrischen Truppen das Land. Doch es herrschte kaum Zuversicht, dass der Anschlag aufgeklärt würde. Deshalb wurde eine internationale Ermittlungskommission eingesetzt und später das UN-Tribunal. Unterdessen folgten weitere Anschläge auf Mitglieder der Regierung und des Parlaments. Jeden zweiten oder dritten Monat fiel ihnen jemand zum Opfer, auch Journalisten. Und nie war die libanesische Justiz in der Lage, die Täter zu finden. Die Aufklärung dieser Verbrechen wurde auch dem Tribunal übergeben, um die Kriminellen von weiteren Anschlägen abzuschrecken. In fünf bis acht Wochen ist mit einer Anklage durch das Tribunal zu rechnen. Es ist der Beginn der juristischen Aufarbeitung, die wir uns erhoffen. Es heißt: Premierminister Nadschib Mikati ist der verlängerte Arm Syriens und des Irans. Stimmt das? Mitri: Natürlich wurde er mit Hilfe Syriens und der Hisbollah neuer Premierminister. Ohne deren Unterstützung hätte er das nicht geschafft. Welche Art von Unterstützung hat er bekommen? Mitri: Er hat die Stimmen der Parlamentarier bekommen. Aber nicht nur die. Auch der politische Druck der Hisbollah hat ihm genutzt. Diese ist nicht nur eine Partei, sondern auch eine mächtige militärische Organisation. Das soll nicht heißen, dass die Hisbollah die ganze Zeit die Waffen sprechen lässst. Aber wenn man weiß, dass sie Waffen haben, verhält man sich anders. Das ist nicht wie in Deutschland, wo sich CDU und SPD gegenüber stehen. Viele Menschen haben sich aus Angst auf die Seite der Hisbollah geschlagen. Der neue Premierminister wäre ohne diese Art von Unterstützung nicht gewählt worden. Die nächsten Wochen werden zeigen, wie loyal sie an seiner Seite stehen. Der erste Lackmustest ist das Tribunal. Hisbollah, Syrien und Iran lehnen es ab. Sie sagen, es handele sich dabei um eine Verschwörung der USA. Wenn Mikati sich dieser Ansicht anschließt, beweist er, dass er nicht autonom von seinen Alliierten regiert. Wenn er doch unabhänig handelt, werden sie ihn gehörig unter Druck setzen. Das ist keine einfach Situation für den Premierminister. Ich kenne ihn gut und respektiere ihn. Er ist eine offene Person mit moderaten Ansichten. Uns verbindet eine lange Freundschaft. Doch ich möchte nicht in seiner Haut stecken. ... und definitiv nicht in seinem Kabinett? Mitri: Ganz sicher nicht. Die Fragen stellte Michael Billig Tarek Mitri gilt als Mann des Dialogs und Vermittler zwischen den Religionen. Von 1991 bis 2005 war er Koordinator für Interreligiöse Beziehungen im Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf. Danach zog es ihn in die Politik. Unter dem pro-westlichen Ministerpräsidenten des Libanon, Saad al-Hariri, hatte er verschiedene Ministerposten inne, zuletzt den des Informationsministers. |