Bewegung im Alltag macht die Fahrt ins Fitness-Studio überflüssig
SPORT | BEMERKT (27.10.2009)
Von Boje Maaßen | |
Einkaufen gehen statt Einkaufen fahren. Im Alltag gäbe es genügend Möglichkeiten, unserem Bewegungsbedürfnis gerecht zu werden. Stattdessen schwitzen wir im Fitness-Studio. Diese Art des Sports gilt es kritisch zu betrachten. Die Kritik des Sports kann verstanden werden als genitivus subjektivus, so aus der Perspektive der Sportwissenschaftler und -funktionäre, die beklagen, dass in unserer Gesellschaft viel zu wenig Sport betrieben würde. Man kennt die dazugehörigen Argumente aus unzähligen Artikeln und Verlautbarungen. Eine Kritik des Sports kann aber auch als genitivus objektivus begriffen werden, das heißt der Sport selbst wird zum Gegenstand der Kritik. Außerhalb dieser Überlegung steht der Mannschaftssport, da hier die Sportler zutiefst aufeinander bezogen sind. Ganz anders beim Individualsport: Der Sportler ist zumindest im Bewusstsein nicht nur von der sozialen, sondern auch von der natürlichen und kulturellen Umwelt getrennt. Er ist ganz bei sich. Die Umwelt ausgeblendet Sport ist also nicht ein Ganzes, in der Mensch und jeweilige Umwelt eine Einheit bilden, sondern er ist eine Reduktion. Sport ist eine Tätigkeit, die an der Umwelt insofern nur interessiert ist, inwieweit diese Hindernisse bereit stellt, deren Überwindung den Körper und die Ich-Identität stärken. Aber die Umwelt hat es nicht verdient, ausgeblendet zu werden. Sie verdient eine Antwort im Sinne von Verantwortung. Nicht nach New York zum Marathon-Lauf fliegen, sondern mit dem Rad zur Arbeit fahren, mit dem Korb zum Einkaufen gehen, nach dem Theatererlebnis zu Fuß nach Hause gehen wären Alternativen, die Geist und Körper wirklich gut täten. In der Alltagswelt ist genügend Potenzial vorhanden, um das natürliche Bewegungsbedürfnis ohne zusätzlichen Aufwand problemlos zu befriedigen. Mobilitätstrukturen bleiben unangetastet Auf den Punkt gebracht: Sich Bewegen geht längst nicht in sportlicher Tätigkeit auf. Warum wird aber diese Gleichsetzung immer noch von der überwiegenden Mehrheit widerspruchslos übernommen? Der Grund hierfür liegt vermutlich darin, dass der Sport die bestehenden gesellschaftlichen und insbesondere deren Mobilitätsstrukturen unangetastet lässt. Man sähe sich nur die Parkplätze vor den Fitnesszentren an: Ich wette, dass die Zahl der dort Schwitzenden genau derjenigen entspricht, die mit dem Auto gekommen sind. |