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Sternennacht
KULTUR | KURZGESCHICHTE (15.03.2005)
Von Knut Stegmann
Nein, hat sie gesagt. Vor einiger Zeit, da hatte sie nicht nein gesagt. Zugegeben auch nicht ja. Ach, ich weiß nicht, sagte sie. Und ich wusste es auch nicht.

Im warmen Bett, an mich gekuschelt, sagte sie nein. Nein, nein, sagte sie nicht, nein hätte sie niemals gesagt, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, sagte sie. Der Raum zerbrach und ich fiel. Sie zitierte aus irgendeinem Buch. Ich liebe ihn nicht mehr als dich, aber länger. Ich fiel in die Tiefe, die Worte rauschten an mir vorbei. Ich empfinde wahnsinnig viel für dich, sagte sie. Die Nacht verging nicht und ich brachte sie nach Hause.

Nein, hat sie gesagt, es wird nichts mehr passieren. Ich will dich nicht mehr sehen, sagte ich. Sie sagte nichts, sie rief mich an, sie sagte, ich halte das nicht aus. Ich fragte, sie sagte nein, ich fühlte ja, ich dachte nein und am Morgen wachte ich in ihrem Bett auf, fragte sie, was wir getan hatten, sie wusste das auch nicht und sagte nein, mehr sagte sie nicht.
Sie hatte getrunken, ich hatte getrunken, die Hemmschwelle sank und - es hätte nicht passieren dürfen. Sie sagte das nicht. Sie sagte, es kann immer wieder passieren, ich sagte, ich will dich nicht mehr wieder sehen, sagte es mit Nachdruck, ich glaubte mir selber nicht und sie sagte ja und verstand mich nicht und ich verstand mich selber auch nicht. Die Stadt ist zu klein, sagte ich, sie sagte ja und ich war nicht weit genug geflüchtet. Ihr Schatten streifte mich, der Mond grinste spöttisch auf die beiden Menschen herab, die sich im nassen, kalten Feld wälzten, sie sagte, ich glaube, das ist nicht gut, ich sagte, es kann doch nicht mehr schlimmer werden, wir vergaßen den Mond und am Morgen duschte ich in ihrer Dusche und sie lieh mir ein frisches T-Shirt.
Ich hasste mich und ich hasste sie und ich liebte sie und sie liebte mich, und sie sagte nein und sie verstand mich nicht und ich verstand sie auch nicht. Sie trank und ich trank und in der Dunkelheit der Nacht taten wir uns weh, bis selbst dem Mond sein Grinsen verging. Sie saß auf einer Mauer und sagte, lass mich nur allein, sie hatte Tränen in den Augen, ich sagte, es tut mir leid, und dann sah ich sie wieder lachen, sie lachte laut und schrill und tanzte durch den Raum, ich fuhr nach Hause und sie erbrach sich über ihrem Klo.

Sie brachte mir einen Strauß Gänseblümchen und sagte, wir müssen reden, und am Abend saßen wir uns gegenüber auf einer Picknickbank im Park. Sie sagte, ich werde dir aus dem Weg gehen, ich nickte und sagte gar nichts, das war das einzig Vernünftige und ich hoffte, dass sie alle Vernunft vergaß. Sie sagte, es ist schade, dass es so ein Ende genommen hat, ich nickte und hoffte und wusste, dass es keine Hoffnung gab. Wir saßen und schwiegen, die Vögel sangen und in ihren Augen sah ich, was ich nicht sehen wollte und ich sagte es ihr und sie sah mich wortlos an. Sie fror und auf dem Weg gab ich ihr zum letzten Mal meine Hand und sie fiel mir weinend um den Hals. Sie sagte, siehst du, auch scheinbar starke Menschen können weinen, und sie fing wieder an zu lachen. Sie pflückte eine Pusteblume und wir pusteten wie zwei Kinder.
Sie sagte, es ist komisch zu wissen, dass wir das letzte Mal zusammen diesen Weg gehen. Und der Mond lachte nicht, ihn verdeckten die Wolken, und auch die Sterne verdeckten sie, wir gingen langsam und das Ende kam immer näher, da sahen wir einen Stern und ich schenkte ihn ihr.
Sie hieß Maria, sie hatte nein gesagt und sie ging zurück nach Hamburg.
   



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