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Grillweltmeister sind wir schon
KULTUR | ÄTZENDSCHARF (14.06.2010)
Von Marian Heuser
Endlich rollt der Ball wieder! Wochen und Monate, wenn nicht Jahre haben wir dem Großereignis WM entgegengefiebert und nun ist es also so weit. Die erste Weltmeisterschaft auf dem schwarzen Kontinent wird begeisternder, mitreißender und - soviel ist sicher - noch bunter und lauter als all ihre Vorgänger.

Die Vuvusela, also die in Afrika offensichtlich enorm beliebte Plastikvariante des bei uns wenig beliebten Alphorns schickt sich an, alle Schreie der Armen und ihre knurrenden Mägen zu übertönen und auch hier zu Lande könnte es ihrem dröhnenden Sound gelingen, alle erzürnten und warndenden Stimmen dieser Tage einfach weg zu tröten.
Ein Beispiel:
Die Streichung des Elternge(SOUND) gerade bei Hartz 4 Em(SOUND) kann schwerwiegende Folgen(SOUND) bis zur Spaltung der Ge(SOUND) haben.
Und? Was sagen Sie dazu? - OLE OLEEEEEEEE!!!
Äääh... ja!
Nun gut, die Erkenntnis, dass wir Menschen uns von schlechten Nachrichten nur zu gerne ablenken lassen, ist nicht neu. "Brot und Spiele" haben schließlich schon das alte Rom sicher durch solch manche Krisenzeit getragen, aber ob das neue Konzept "Spiele statt Brot" wirklich aufgeht, muss sich erst noch zeigen.
Und das gilt für den afrikanischen Kontinent noch viel mehr. Auch wenn wir höchst wahrscheinlich, wie schon 2006, innerhalb der kommenden vier Wochen zu stummen beziehungsweise alkoholisch völlig sedierten Zeugen einer rapiden politischen Transformation von der Stillstandsverwaltung hin zur Akkordgesetzesverabschiedung werden, an Essen wir es uns nicht mangeln. Denn ganz gleich, ob die deutsche Elf nun als Turniermannschaft den vierten Stern holt oder sich die Handvoll übriggebliebener Akteure auch noch die Haxen bricht – Grillweltmeister sind wird schon!
Den Titel hat uns LIDL verpasst, weil wir für solch wertvolle Prämien wie Schürzen und Tische im Nationalfarbenlook derartig viel Fleisch konsumieren, als gälte es eine Invasion der Hühner, Schweine und Rinder aufzuhalten. Ganz schön gewitzt von den Scientologen selbst das Fleischfressen zur nationalen Aufgabe zu machen. Irgendwie haben die Humor...
Und zusammen mit den Brauereibetrieben, denen es schon vor gefühlten Ewigkeiten gelungen ist, Alkohol und Fußball untrennbar miteinander verschmelzen zu lassen, fressen, saufen, kotzen und furzen wir Deutschen auf weltmeisterlichem Niveau.
Und? Was sagen Sie dazu? - OLE! OLEEEEEEEE!!!
LIDL hat sich darüber hinaus nicht nur zum Ziel gesetzt nationale Aufgaben zu formulieren, sondern auch einen möglichst realitätsnahen Blick auf das Gastgeberland zu gewähren. Während wir also auf gefakten Giraffen- und Leopardenfellen sitzen, dickbäuchige Holzschnitzereien von barbusigen schwarzen Frauen mit Tonkrügen auf den Köpfen um uns herum drapieren und dazu alle Daktari-Folgen auf DVD genießen, können wir unser Grillwürstchen auch noch mit drei ätzendscharfen Saucen kontaminieren – weil die Afrikaner nun mal ausschließlich ätzendscharfes Zeug essen.
Es geht doch nichts über ein differenziertes und vorurteilsfreies Afrikabild.
Nach Jahrhunderten der Ausbeutung und des Wegsehens ist es nun wirklich an der Zeit, sich Afrika und seinen Menschen zuzuwenden. "This Time for Africa" wie Shakira extra singt. Eine Südamerikanerin wohlgemerkt, weil Afrikaner nunmal nicht singen können, wie wir alle wissen. Und damit sich die Fans aus aller Welt am fremden und wahrscheinlich eh ätzendscharfen Essen Afrikas nicht den Magen verderben, exportieren wir unseren genormten und garantiert geschmacksfreien Einheitsfraß a la Mc Donalds gleich hinterher. Wenn wir dazu dann noch 'ne Cola schlürfen, während wir, fern ab der Lebensrealität der Einheimischen, in irgendeinem aus dem Boden gestampften Stadion eines deutschen oder japanischen Designers hocken, dann fällt es uns hoffentlich gar nicht so schwer, Afrika in unser Herz zu schließen.

Und? Was sagen Sie dazu?
   








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