Big Brother Awards für Facebook und Apple
GESELLSCHAFT | ROTER TEPPICH (01.04.2011)
Von iley Redaktion | |
In diesem Jahr ist Facebook dran. Das "Social Network" bekommt von dem Datenschutzverein FoeBuD den Big Brother Award verliehen. Diese Negativ-Auszeichnung geht auch an die Firma Apple. Es gibt noch mehr Preisträger. iley kennt und nennt sie alle - samt kurzer Begründungen der Jury im Originalwortlaut. Facebook - eine "Gated Community" Der BigBrotherAward 2011 in der Kategorie "Kommunikation" geht an die Facebook Deutschland GmbH für die gezielte Ausforschung von Menschen und ihrer persönlichen Beziehungen hinter der netten Fassade eines vorgeblichen Gratisangebots. Die gesammelten Daten speichert Facebook in den USA – Zugriff für Geheimdienste möglich, Löschen nicht vorgesehen. Per „Freundefinder“ und "Handy-App" eignet sich Facebook Telefonnummern und Mailadressen aus den Adressbüchern der Nutzer an. Der "Gefällt-mir"-Button auf fremden Webangeboten verpetzt auch ohne Anklicken alle Besucher der Seite an Facebook. Mit Facebook wuchert eine Art zentrale „Gated Community“ im Netz, in der Menschen auf Schritt und Tritt beobachtet werden. Hier herrscht die Willkür eines Konzerns und der verdient mit systematischen Datenschutzverstößen Milliarden. Apple nimmt Kunden als Geisel Ein weiterer BigBrotherAward 2011 in der Kategorie „Kommunikation“ geht an die Apple GmbH in München für die Geiselnahme ihrer Kunden mittels teurer Hardware und die darauf folgende Erpressung, den firmeneigenen zweifelhaften Datenschutzbedingungen zuzustimmen. Wer sich für mehrere hundert Euro ein schickes neues iPhone gekauft hat, will es auch nutzen. Die Kunden haben quasi keine Wahl, den 117 iPhone-Display-Seiten mit Datenschutzbedingungen nicht zuzustimmen, denn sonst könnten sie ihr teures Gerät maximal zum Telefonieren nutzen. Keine wirklich schöne Sache: Der Oscar für Datenkraken. (c) Thorsten Möller Daimler AG fordert Bluttests von Mitarbeitern Der BigBrotherAward 2011 in der Kategorie "Arbeitswelt" geht an die Daimler AG in Stuttgart für die Praxis, flächendeckend Bluttests von ihren Produktionsmitarbeitern zu fordern. Diese Form von modernem Vampirismus erfolgt ohne Rücksicht auf Persönlichkeitsrechte und meist ohne arbeitsrechtlich erforderlich zu sein. Ursprünglich hatte die Daimler AG diese Bluttests auch von ihren Verwaltungsmitarbeitern gefordert, das wurde allerdings inzwischen wieder eingestellt. Daimler erhält den Preis stellvertretend für mehrere weitere deutsche Unternehmen, die diese Bluttests fordern, weil der Autohersteller nicht die Bluttests für problematisch hält, sondern die aus dem Datenschutz folgenden Eingriffe in ärztliche Befugnisse. Russische Antiterrorlisten beim Deutschen Zoll Der weiterer BigBrotherAward 2011 in der Kategorie Arbeitswelt geht an den Deutschen Zoll. Dieser lässt sich vom russischen Staat instrumentalisieren, indem er von deutschen Unternehmen verlangt, ihre Beschäftigten mit russischen Antiterrorlisten abzugleichen. Diese Listen werden auf der Grundlage eines vertraulichen russischen Gesetzes vom Geheimdienst FSB (ehemals KGB) erstellt. Im Ergebnis werden etwa Energieunternehmen, die ihre Mitarbeiter nach den Vorgaben des deutschen Zolls überprüfen, von GASPROM bei der Lieferung von Energie bevorzugt. Die Liste der deutschen Unternehmen, die am Verfahren teilnehmen, weist inzwischen mehrere hundert Namen auf. Daten für den Zensus zweckentfremdet Der BigBrotherAward 2011 in der Kategorie "Behörden und Verwaltung" geht an den Vorsitzenden der Zensuskommission Herrn Prof. Dr. Prof. Dr. Gert G. Wagner für die als „Zensus2011“ bezeichnete Vollerfassung der Bevölkerung Deutschlands. Er erhält diesen Negativ-Preis stellvertretend für alle Beteiligten. Mit der aktuellen Volkszählung werden sensible Persönlichkeitsprofile von über 80 Millionen Menschen erstellt, die bis zu vier Jahre nach dem Stichtag am 09. Mai 2011 personenbezogen verfügbar sind. Dabei werden Daten aus Melderegistern, von der Bundesagentur für Arbeit und bundesbehördlicher Arbeitgeber zweckentfremdet, ohne dass die Betroffenen rechtzeitig und ausreichend darüber informiert werden oder dem widersprechen könnten. Mini-Überwachungsdrone bei Anti-Castor-Demo Der BigBrotherAward 2011 in der Kategorie "Politik" geht an den Niedersächsischen Innenminister Uwe Schünemann (CDU) für den ersten nachgewiesenen polizeilichen Einsatz einer Mini-Überwachungsdrohne bei politischen Versammlungen. Während der Demonstrationen und Protestaktionen gegen den Castor-Transport im Wendland im November 2010 haben insgesamt vier Mal so genannte „fliegende Augen“ die Demonstranten heimlich ausgespäht und kontrolliert. Diese rechtlich höchst umstrittene Überwachungsmaßnahme aus der Luft kann Persönlichkeitsrechte von Betroffenen verletzen sowie einschüchternde und abschreckende Wirkung auf die Versammlungsteilnehmer haben. Verdeckter Chip im Kleid Der BigBrotherAward 2011 in der Kategorie "Technik" geht an die Modemarke Peuterey, vertreten durch den deutschen Vertreiber, die Düsseldorfer Modeagentur Torsten Müller. Peuterey erhält diese Negativ-Auszeichnung, weil sie Kleidung mit verdeckt integriertem RFID-Chip in Verkehr bringt, der berührungslos auslesbar ist, ohne dass die Kunden das bemerken. Die Applikation, die diesen „Schnüffelchip“ enthält, wurde – ohne Hinweis auf den verborgenen Chip - mit dem Satz „Don‘t remove this label“ bedruckt. Damit wird massiv in die informationelle Selbstbestimmung der Kundinnen und Kunden eingegriffen. Schule als Datenpool Der BigBrotherAward 2011 in der Kategorie "Verbraucherschutz" geht an den Verlag für Wissen und Innovation in Starnberg für das Sammeln von Adressen als Gegenleistung für Büchergutscheine. Der „Verlag“, von dem man im Buchhandel gar keine Bücher kaufen kann, der aber Geschäftsbeziehungen zu einem Vitaminpillenhersteller und Finanzdienstleistern unterhält, lässt Schulen in seinem Namen Büchergutscheine an Kinder verteilen. Die „Geschenke“ bekommt man aber nur, wenn man Namen und Anschrift des Kindes und mindestens eines Elternteils zurück meldet. Die Jury der BigBrotherAwards hält diese Praxis für besonders kritikwürdig, weil Schulen nicht als Datenpools für die Wirtschaft missbraucht werden dürfen. FoeBuD meldete kurz vor der Preisverleihung, dass der Verlagsleiter mitgeteilt habe, dass er im Februar die Geschäftstätigkeit eingestellt und die beschriebene Praxis bereits vor sechs Monaten aufgegeben habe. Er hätte eingesehen, dass das "nicht so ok" gewesen sei. |