Die Ästhetik des Anderen
GESELLSCHAFT | MUSLIMA in den Medien (24.01.2011)
Von Didem Ozan | |
Das Problem der zunehmenden Islamfeindlichkeit unter der Bevölkerung ist komplex. Die Darstellung von Menschen aus muslimisch geprägten Herkunftsländern in Printmedien, Internet und Fernsehen kann als ein Grund angesehen werden. Sie ist häufig verzerrt, bedient vorhandene Ressentiments und Vorurteile. Das Verhältnis von Frau und Mann spielt hier eine wichtige Rolle. Hassprediger und jugendliche Integrationsverweigerer prägen das Bild auf der männlichen Seite. Meinungsmacher wie Time Magazine und Stern zeichnen ebenso ein auffällig einseitiges Bild islamischer Frauen. Geht es um die negative Seite des Islam, stehen in der aktuellen Debatte muslimische Frauen und Mädchen im Fokus. So zeigt das Time-Magazine vom 9. August 2010 das Portrait einer verstümmelten afghanischen Frau. Ein enthüllter Akt der Gewalt, ein Horror, der an dieser Frau stattgefunden hat. In der Betrachtung ist auch ersichtlich, dass die 18jährige Aisha eine ungewöhnlich hübsche Frau ist, würde sie der Makel der entrissenen Nase nicht verzerren. Ihr Haar, ihr Kopftuch, ihre Kleidung sind gepflegt. Doch ihre Verschleierung ist entzogen, um Horror zu enthüllen. Die physische Deformation dieser Frau ist monströs. Das Coverbild des Time Magazine brennt sich so in unsere Wahrnehmung. Richard Brittmacher beschreibt Monströsität in seiner Monographie "Ästhetik des Horrors" als Bedrohung, "indem das Monstrum alles das verkörpert, was den Menschen als Menschen aufzulösen droht, die Ausnahme von allem, was der Fall ist, das Widermenschliche schlechthin." Das menschliche Wesen von Aisha ist in seiner körperlichen Integrität bedroht. Der Islam erscheint als Gewaltherrschaft. Politische Botschaft im Bild Ästhetisch ist für westlich geprägte Rezipienten der Anblick einer vollkommen verschleierten Frau zunächst befremdlich. Sie ist wie ein Gespenst - denn wir sehen weder Hände noch das vollständige Gesicht, eine buchstäbliche Verschleierung. Das eröffnet eine kognitive Leerstelle, ein spekulatives Vakuum, das wir verstehen wollen und das von den Medien mit politischen Botschaften gefüllt werden kann. Mit solch einem Vakuum spielt ein Werbebild des Stern. Die beiden dargestellten Frauen sind eine anonyme Burkha-Trägerin und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie scheinen auf der ersten Blick verschiedener nicht sein zu können. Eine Headline beschreibt die islamische Frau mit den Worten: "Wir berichten von dort, wo Frauen nichts zu sagen haben." Die andere Frau, Angela Merkel, wird mit dem Zusatz "Und von dort, wo Frauen den Ton angeben" eingeführt. Das Bild eröffnet unterschiedliche Lesarten: Geben Frauen hier wirklich den Ton an? Oder nur diese eine Kanzlerin? Und hat diese wirklich etwas zu sagen? Oder was steckt dahinter? Durch die in der Bildmontage eingesetzte Überblendung werden die scheinbar zusammengewachsenen Körper zur doppelköpfigen Chimäre, einem mythologischen Mischwesen. Die Eigenschaft der Machtlosigkeit der islamischen Frau wird auf die christliche Kanzlerin übertragen. Orientalisches Opfer Tauchen muslimische Frauen erkennbar auf westlichen Titelbildern auf, stammen sie aus dem hermetischen Raum eines patriarchal geführten Systems. Angezeigt wird dies durch ihre Kopfbedeckung. Oftmals wird eine Spannung ästhetischer Sinnlichkeit der orientalischen Frau und eines dahinterstehenden Despotismus aufgebaut. So ist die Frau auf dem Titelbild des Stern Nr. 28 mit einem leicht um den Kopf geschlagenen roten Kopftuch bekleidet, das ein rotes Gewand ergänzt. Ihre Kleidung ist elegant. Sie trägt Lippenstift und goldenes Eye Shadow sowie Wimperntusche. Ihr Blick ist dabei jedoch niedergeschlagen, ihr Mund ist geschlossen und wirkt trotz Weichzeichner streng und zurückgenommen. Die Bildunterzeile dazu: "Frauen im Islam. Wie sie im Namen Allahs unterdrückt werden - und sich dagegen wehren." Der Titel impliziert, dass jede islamische Frau eine unterdrückte Frau ist, die in ihrer oberflächlichen orientalischen Schönheit ein Opfer ist. Ob verschleiert, hässlich oder schön - die islamische Frau wird als die Andere dargestellt. Sie ist das unterdrückte und auf seine Körperlichkeit reduzierte Objekt. Sie kann nicht über ihr eigenes Schicksal verfügen, sie hat "nichts zu sagen". Damit werden auch Unterschiede zu den scheinbar emanzipierten indigenen deutschen Frauen hergestellt. Diese dürfen sich glücklich schätzen, dass sie zu den befreiten Wesen des Liberalismus zählen. Der islamischen Frau hat die feministische Bewegung der jüngeren Vergangenheit nicht geholfen, sie befindet sich damit in einer anachronistischen Situation. Sie ist die antifeministische Weiblichkeit, ein rational schwer durchdringbares Opfer des Mannes. Weil wir so schlecht an sie herankommen, weil wir sie so wenig verstehen, wird sie zu einer Projektion, zu einem Problem. Und lenkt davon ab, dass auch westliche Frauen in wesentlichen Fragen immer noch nicht gleichgestellt sind. |