Cocaine Love
GESELLSCHAFT | MIT OFFENEN AUGEN (15.05.2005)
Von Michael Billig | |
Erst drei Wochen aus dem Gefängnis, und Astrid ist nicht mehr ansprechbar. Sie schläft wohl. Michael von Graffenried: Cocaine Love Was mag in ihrem Freund vorgehen, der auf der Matratze sitzend völlig in seinen Gedanken verloren scheint. Ein klares und ruhiges Bild, das der Fotograf Michael von Graffenried da in Peters Sozialwohnung gemacht hat. Es gibt selten Klarheit und Ruhe im Leben von Astrid und Peter. 18 Monate hat von Graffenried das Liebespaar mit dem Fotoapparat durch Bern begleitet und ein Stück ihrer Biografien in Panoramabilder gefasst. Ein tolles Format, um die Breite des Lebens aufzunehmen, um sie in vielen Details wiederzuspiegeln. Immer wieder tauchen Drogen und Spritzen auf. Astrid und Peter sind stark abhängig. Heroin, Kokain und Marihuana. Die Bilder schockieren, sie provozieren. Auf einem sieht man Peter nervös und wütend, weil er keine brauchbare Vene mehr findet, um sich einen Schuss zu setzen. Michael von Graffenried fotografierte Astrid im Gefängnis. Sie boxt sich durch und hofft auf den Ausstieg. Peter dealt auf der Straße. Der Fotograf ist Zeuge. Er begleitete Peter, als dieser seine Feundin besuchte. Astrid hat sich schön gemacht und das Paar fällt sich in die Arme. Es habe lange gedauert, ehe er das Vertrauen des Paares gewonnen hat, schreibt von Graffenried in seinem Fotoband. Dass es ihm gelungen war, daran lassen seine Aufnahmen keinen Zweifel. Er ist dabei, als Peter sich im Wald vor der Polizei versteckt und muss mit ansehen, wie Astrid in den Außenspiegel eines Autos schaut und sich die nächste Spritze an den Hals setzt. Die Geschichte "Cocaine Love" beginnt mit dem Warten auf Drogen und endet für Peter im Zuchthaus und für Astrid auf dem Strich. Michael von Graffenried deckt mit seiner Fotoreportage auf, was sich tausendfach in unseren Städten abspielt, wo man aber nicht so gern hinschaut. Er klärt nicht, welche Gründe es dafür gibt, dass sich Astrid und Peter außerhalb ihrer selbst bewegten und an den Rand unserer Gesellschaft gerieten. Diese Frage liegt nahe, wenn man den Blick in von Graffenrieds Buch oder in die Gesichter der Junkies am Bahnhof riskieren würde. Doch wer macht das schon, muss sich der Fotograf gedacht haben und stellte seine Bilder in den sechs größten Schweizer Städten auf Plakatflächen, beispielsweise an Bushaltestellen, aus. Es waren jeweils 30 verschiedene großformatige, man möchte meinen unübersehbare, Abzüge. Das Buch "Cocaine Love" ist im Benteli-Verlag erschienen. |