Noel war plötzlich 'illegal'
POLITIK | MITTEN IN DEUTSCHLAND (15.02.2008)
Von Michael Billig | |
Er hebt ganz lange seinen Zeigefinger in die Luft, runzelt die Stirn, schiebt dabei den Kopf etwas nach vorn und blickt hoch konzentriert ins Rund. Dann sagt Noel: „Tausende Euro für einen Privatjet.“ So viel Geld habe der Staat bezahlt, um seinen Kumpel wieder nach Kamerun auszufliegen. Dreimal kam der angeblich wieder. Dreimal ist er der Polizei erneut ins Netz gegangen. Noel ist das auch passiert. An einem Bahnhof. Ganz klassisch Pech gehabt. Bahnhöfe scheinen sehr ergiebig zu sein, zumindest kann man in größeren Städten dort regelmäßig Polizisten bei der Passkontrolle beobachten – egal, wie weit weg die Grenze ist. Für Noel ging es hier nicht mehr weiter. „Das auf dem Bild, das bist doch nicht Du“, haben sie zu ihm gesagt und ihn einkassiert. Wenn man ihm glauben darf, dann war er es doch. Allerdings war sein französischer Pass keiner wie er hätte sein sollen. Und plötzlich fiel das Wort „illegal“. Zwei Jahre, sagt er, habe er da schon in Hamburg gelebt. Und jetzt das. Den Pass habe er von den Behörden in Kamerun, seinem Heimatland, "Illegal" - Ein Leben in der Schattenwelt. (c) S. Hofschlaeger/pixelio.de Darüber zu sinnieren, half ihm in der Not sicherlich gar nicht. Jetzt war Noel ein „illegaler“ Einwanderer und das heißt in Deutschland: Dahin zurück, wo er her gekommen ist. Weil das aber grundsätzlich nicht so einfach ist, wie das manche gerne hätten, landete er im Knast, im Abschiebeknast. Dort hat er seinen Landsmann kennen gelernt. Die Mitinsassen seien auch aus dem Kosovo und Albanien gewesen. Ihr einziges „Verbrechen“ sei, so Noel, dass sie kein Visum haben. Dass sie deswegen ihrer Menschenrechte beraubt werden, versteht er kein bisschen, faltet die Hände und senkt die Augen, als wolle er gleich ein Gebet sprechen. Doch Noel macht nur eine kurze gedankliche Pause. Seine Geschichte geht noch weiter. Ein Aktenordner, der vor ihm auf den Tisch liegt, zeugt von einem heftigen Papierkrieg. Er hat versucht, die Deutschen mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Er hat sich einen Anwalt genommen, Briefe und Anträge verfasst. Der Anwalt war wohl nicht der cleverste, hat einen entscheidenden Faktor übersehen. Briefe und Anträge – alles vergebens. Zweieinhalb Monate saß er schon ein. „Sie haben mich gehalten wie einen Hund“, deutet er die Zustände an. Ein bis zwei Stunden Ausgang am Tag, den Rest der Zeit verbrachte in seiner Zelle. Wieder den Zeigefinger anhebend sagt Noel: „Ich habe den Staat 100 Euro pro Tag gekostet.“ Es will nicht in seinen Kopf rein, dass es dem Staat das wert sein soll. „Bis zu 18 Monate dauert die Abschiebehaft“, sagt Noel, um den Blick für die Gesamtkosten zu schärfen. Dass das Ganze zur Abschreckung diene, kann er nicht glauben – sein Kumpel habe ihn Anderes gelehrt. Noel ist dank eines Verfahrensfehlers wieder auf freiem Fuß, sein Aufenthalt vorübergehend genehmigt. |