Fatou Diome: Der Bauch des Ozeans
KULTUR | LEKTÜRE (15.05.2006)
Von Kabasia Chuwa | |
Eine kleine senegalesische Insel im Atlantischen Ozean: in einem Hof auf Matten und Bänken drängeln sich heranwachsende Jungs, Männer, Frauen, Kinder, Alte; ihre Blicke sind auf einen alten Fernseher gerichtet, wo es gerade eine Liveübertragung eines Europameisterschaftsspiels gibt. Fatou Diome: Der Bauch des Ozeans Zwischen dem Ruf des Muezzins und Cola-Werbung gehen die Bewohner von Niodior aber ihren ganz alltäglichen Verrichtungen nach. Vieles folgt dem ewig gleichen Rhythmus vergangener Jahrhunderte, immer wieder fahren sie aufs Meer, mit der Hoffnung auf einen guten Fischfang und immer noch liegen ihre kleinen Ländereien "wie Krümel am Maul des Ozeans". So führt uns die Ich-Erzählerin, Salie, ein in diese Inselwelt, ihre afrikanische Heimat, die sie verließ, um in Frankreich zu studieren und ihr Glück an der Seite ihres französischen Mannes zu finden. Natürlich kam alles anders. Ähnlich den Geschichten der vielen anderen, die zuvor schon die große Reise nach Europa gewagt hatten, dann irgendwann zurückkehrten mit Geschenken und Geld, um ein Haus zu bauen - um welchen Preis in der Fremde verdient, blieb ihr Geheimnis? Auch Madické, der kleine Bruder der Ich-Erzählerin, sitzt an diesem im Senegal heißen Europameisterschaftsspieltag, mit dem der Roman beginnt, in jenem Hof. Er ist stiller als die anderen, seine ganze Konzentration auf den italienischen Spieler Maldini gerichtet, sein Idol - auch wenn er sich inmitten einer frankophilen Fangemeinde damit zur Ausnahme macht. Natürlich gibt der alte Fernseher gerade beim Elfmeterschießen seinen Geist auf? - ein Gewitter! Nur ein Anruf bei seiner Schwester in Frankreich kann Madické jetzt noch retten (zahlen wird sie später, sie hat ja Geld, denn sie lebt ja in Europa, - oder?! So denkt er). Während die eine sich auch über das Wohlergehen der Familie unterhalten will, möchte man am anderen Ende der Leitung nur eins wissen: Wie ist der Spielstand? Wie hat Maldini gespielt? Ein Misserfolg wäre eine Katastrophe, würde Madickés Träume und Hoffnungen zertrümmern; denn auch er hat alles darauf gesetzt, einmal so ein großer Fußballspieler in Europa zu werden wie Maldini. Und seine Schwester muss ihm dabei helfen! Wird Salie ihrem Bruder klar machen können, wie es ist, in der Fremde zu leben? Fatou Diomes erster Roman überzeugt und fesselt mit klarer kräftiger Sprache, treffenden Bildern, messerscharfen Beobachtungen und Humor. Er nimmt den Leser mit in die Welt der Pendler zwischen den Kulturen, macht ihn bekannt mit dem afrikanischen Traum von Europa und europäischen Ideen von Afrika. Ein Roman voller schillernder Geschichten und Figuren. Fatou Diome ist eine wichtige neue Frauenstimme in der modernen afrikanischen Literatur, die sich durchaus selbstbewusst neben Größen wie Mariama Bâ behaupten darf. noch ein paar Buchtipps rund ums Leder: Christoph Biermann, Fast alles über Fußball, KiWi, 223 S. 9,90 ? bietet Fakten, Daten, Kurioses Christian Eichler, Lexikon der Fußballmythen, Piper, 499 S. 9,90 ? unterhält mit Pannen, Skandale, Legenden Michael Broschkowski / Thomas Schneider, "Fußlümmelei". Als Fußball noch ein Spiel war, Transit, 127 S., 14,90 ? erzählt leicht und lehrreich Fußballgeschichte Burkh/ Harald Fischer / Nikolaz, Cartoons für Fußballfans, Lappan, 56 S., 10,95? nimmt alles aufs Korn Brinke / Kränzle, Fußballstädte Deutschland 2006, Reise Know-How 360 S. 9,80 ? für alle, die vor Ort sein wollen und neben Fußball auch sonst noch was vorhaben Blutgrätsche, Weltmeister-Krimis, Grafit Verlag 222 S. 8,50 ? erzählt, was sich neben Fußball sonst noch so alles Dramatisches in den Stadien ereignen kann |