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Deutschland im Taschenformat
GESELLSCHAFT | LEKTÜRE (15.10.2005)
Von Robert Laude
Wir stellen Ihnen vier spannende und handliche Bücher zum Thema Deutschland vor. Das kleinste hat nur 50 Seiten.

Michael Billig

Eine Aufnahme während einer Zugfahrt. (c) Michael Billig

Kleine deutsche Geschichte von Hagen Schultz
dtv, ? 8,50

Häufig scheint es so, als würde deutsche Geschichte allzu oft nur auf die Zeit des Nationalsozialismus reduziert werden. Mit einem solchen verengten Geschichtsbild lassen sich jedoch viele, auch für das heutige Deutschland und Europa noch wichtige Fragen und Zusammenhänge nicht erklären. Hat es heute noch eine Bedeutung, dass der Ursprung deutscher Geschichte im antiken Rom lag? Welche Wurzeln hat das wechselvolle und für die Geschichte Europas so bedeutsame Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich? Wie sah die wechselvolle Beziehung zwischen Deutschland und Russland aus? Auf welchen Traditionen kann die Kooperation Deutschlands mit den osteuropäischen Staaten aufbauen, welche Fallstricke sind dabei zu beachten? Welche historischen Wurzeln hat die starke, und wie wir dieser Tage sehen, nicht immer einfache Stellung der so genannten "Länderfürsten". also der Ministerpräsidenten, auf die deutsche Politik? Welche Bedeutung hatte die Revolution 1848/49 auf den Gang der weiteren deutschen Geschichte? Warum berührten Entwicklungen in Deutschland immer auch die anderen europäischen Staaten? Und vor allem: Was ist eigentlich dieses Deutschland, das so viele Jahrhunderte nur als Idee, nicht aber als Staat existierte?
Wer sich solche Fragen stellt und auf der Suche nach Antworten ist, der kann sich entweder mit einer Fülle historischer Einzeldarstellungen herumschlagen, oder auf Überblicksdarstellungen wie etwa Heinrich August Winklers "Der lange Weg nach Westen" oder Golo Manns brillanter "Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts" zurückgreifen, die sich aber eher auf die neuzeitliche Geschichte beziehen und manchen geneigten Leser ob ihres gewichtigen Umfanges abschrecken mögen. Ganz anders kommt da Hagen Schulzes "Kleine deutsche Geschichte" daher. Es gelingt Schulze tatsächlich auf nur rund 230 Seiten 2000 Jahre deutscher Geschichte spannend, verständlich aber nie profan darzustellen. Ohne sich in Details zu verlieren, ohne durch allzu viele Namensnennungen und Jahreszahlen zu verwirren, wird ein faszinierendes Panorama letztendlich auch europäischer Geschichte ausgebreitet.


1914: Why the World Went to War von Niall Ferguson
Penguin Books, ? 2,49

Zum 70. Geburtstag schenkte der britische Pionier anspruchsvoller Taschenbücher, Penguin Books, sich und seinen Lesern eine kleine Reihe schmaler Sonderausgaben einiger der bedeutsamsten Penguin-Autoren. Darunter auch Niall Fergusons "1914: Why the world went to war", einer Zusammenfassung seines 1997 erschienenen Buches "The pity of war" (deutsch: "Der falsche Krieg" 2001), in dem er sich mit den Gründen für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges befasste und damit unter Historikern einigen Staub aufwirbelte.
Im Mittelpunkt des Büchleins, es hat nur rund 50 Seiten, steht die Frage, ob der Ausbruch des Ersten Weltkrieges so unvermeidbar war, wie Politiker und Historiker oft behaupteten, oder ob es nicht doch auch Möglichkeiten gab, den Krieg zu verhindern. Knapp aber eindrucksvoll werden die unterschiedlichen Interessenlagen der europäischen Mächte Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Österreich und Russland vorgestellt und die einzelnen politischen Entscheidungen, die die Handlungsalternativen so weit verengten, bis am Ende ein von kaum jemandem gewünschter und dennoch fast nicht mehr aufzuhaltender Krieg stand, nachgezeichnet. Interessant ist die Darstellung auch deshalb, weil hier einmal die englische Perspektive im Vordergrund steht. Ein gut und schnell zu lesendes, da in nicht sehr kompliziertem Englisch geschriebenes, Buch, das einem nochmals vor Augen führt, welche Bedeutung dem friedlich vereinigten Europa zukommt. Eine Bedeutung, die man in dieser Zeit leider häufig für allzu selbstverständlich nimmt.


Hotel Berlin. Formen urbaner Mobilität und Verortung von Alexa Färber (Hrsg.)
Berliner Blätter Heft 37/2005, ? 9,90

Berlin - Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland. Keine andere Stadt in Deutschland ist nach der Wende so mystifiziert worden wie Berlin. West-Berlin hatte zur Zeit des Kalten Krieges eher den Status eines westdeutschen urbanen Helgolands und Ost-Berlin stellte zwar die zentralistische Hauptstadt der DDR dar, geliebt wurde es jedoch nie. Als dann die Mauer fiel, fand sich Berlin ein letztes Mal in historischer Rolle wieder. Darauf wurde reagiert und Schlagworte wie Metropole in der Mitte Europas, Tor zum Osten, spannendste Stadt der Welt, kreatives Zentrum und Techno-Metropole sollten das "neue" Berlin beschreiben. Schließlich wurde auch noch die "Berliner Republik" ausgerufen. Dass sich viele der Beschreibungen Berlins in der Folgezeit als Wunschdenken herausgestellt haben, die Stadt mit unglaublichen finanziellen und sozialen Problemen herumschlagen muss, dass Berlin in absehbarer Zeit die Abwanderung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Eliten nicht kompensieren wird, all das steht fest. Dennoch ist die Anziehungskraft, die symbolische Projektionsfläche Berlins nach wie vor gewaltig.
Der Sammelband "Hotel Berlin. Formen urbaner Mobilität und Verortung" hat zum Ziel, Auskunft zu geben über die vielfältige kulturellen Transformationsprozesse, die sich in Berlin seit der Wende ereignet haben. Denn auch das Bild Berlins als eine Stadt im permanenten Wandel, im andauernden Werden, ist Teil des neuen Mythos der Stadt. Dabei geht es um so unterschiedliche Themen wie Technoszenen oder Street Art, Aneignungsstrategien von MigrantInnen oder Schwulen sowie die Strategien, mit denen Berlin als Stadt der Zukunft verkauft wird. Im Zentrum der Beiträge stehen aber auch die Schnittstellen zwischen Kultur und Kommerz und die Frage, welcher Bedeutung Kultur in einer Stadt, die sich selbst als Unternehmer versteht, spielen kann und sollte.


Operation Rot-Grün - Geschichte eines politischen Abenteuers von Matthias Geyer, Dirk Kurbjuweit, Cord Schnibben
DVA, ? 17,90

Kann sich noch jemand an 1998 erinnern? Rot-Grün hatte die Bundestagswahl gewonnen, Kohl war nach 16 Jahren Geschichte. Eine Art Aufbruchsstimmung lag in der Luft. Viele waren hauptsächlich froh, dass der "Dicke" endlich weg war, manche glaubten, nun würde alles besser. Die Erwartungen waren hoch. Erste Enttäuschungen kamen schnell und verdichteten sich in der Folge zu Frust, Abkehr und Resignation. Am Ende die Abwahl.
Das Buch "Operation Rot-Grün" von den Spiegel-Autoren Geyer, Kurbjuweit und Schnibben wirft einen Blick zurück auf die vergangenen sieben Jahre unter Schröder und Fischer. Minutiös und chronologisch wird die Entwicklung der rot-grünen Koalition nachgezeichnet. Im Stil stark an die Spiegel-Reportagen angelehnt wird hier dem Leser weniger eine wissenschaftliche Aufbereitung der rot-grüner Politik geboten als vielmehr ein stark personifizierender Einblick hinter die Kulissen politischer Machtspiele. Das ist spannend zu lesen und gibt einem auch einen guten Überblick über die vielen wichtigen Ereignisse der letzten Jahre. Leider stellt man sich beim Lesen jedoch häufiger die Frage, wie es gekommen wäre, wo Deutschland heute womöglich stehen könnte, um es pathetisch zu formulieren, hätten sich die rot-grünen Politiker bei allen strukturellen Hindernissen nicht auch noch selbst sooft im Weg gestanden.

   








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