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Zweiuhrzweiundzwanzig
KULTUR | KURZGESCHICHTE (15.12.2007)
Von Micul Dejun
Welche Zeit. In Alba angekommen. Irgendwann gegen Sieben soll`s weitergehen. Im Abstellraum für die Zigeuner kann ich keinen Schlaf finden, geflieste Wände, verschlissenes Parkett und ein Geruch, der kaum zum Aushalten ist.

Tommes findet sofort Schlaf, eingekeilt zwischen rumänischen Kopfnickern. Als ich zurückkehrte vom Suchen nach dem Busbahnhof und einer Zigarettenpause, vom kalten Draußen, mit dem besten Willen zum Versuchungsschlaf, ist auch mein Platz besetzt. Der Gestank ist noch immer nicht auszuhalten. Tommes Nase ist an seinen Rucksack drangequetscht, weswegen er jetzt auch noch, wie alle anderen, zu schnarchen beginnt.
Ich halte es nicht mehr aus und entscheide mich für die Kälte. Ein paar Konjugationsschemata – kaum eine bessere Zeit. Der Kopf ist nicht frei, riesiges Durcheinander. Was machen, wenn die Eltern da? Was macht sie wohl daheim, und was sie im alten? Langsam zieht auch noch der Gestank der Verbrennungsanlage von Mühlbach herüber, die Vögel beginnen zu reden.
Das RiverCaffe öffnet wieder. Manele hält besser wach, als kaltes Alleinsein. Die Rumänen sich abgrenzend, nicht zugeben wollend, zu sein, wie die anderen im Kabuff, ebenfalls fast erfroren, rennen sie mit mir um die Wette für den ersten Espresso, die erste Plăcintă. Die Schachtel fast leer. Und immer weiter.
Wann schlafen die Damen des Hauses? Entnervt von der wenigen Ruhe geben sie, was bestellt wird. Die Sterne am Himmel verschwinden, ein wenig lasse ich ihn noch schlafen, umarmend seinen Rucksack. Da sind wir nun. Hierher. Gehören. Angehören. Einbildung. Wunsch und der Wille zu leben. Anders. Warum? Die Zeilen schreiben sich zu schnell für die bleibende Zeit. Rumänen schlafen im Café, andere trinken den ersten Ţuika und ein blonder Wanderer vom Nebentisch würde sich gerne mit mir unterhalten über den Streik, die Kälte, doch lade ich ihn nicht dazu ein. So bleibt auch er an seinem Tisch. Höflich. Trinkt er allein seinen Tee weiter. Vielleicht ja deswegen. Zu lang gewartet auf diese Chance. Drum gebeten. Sie bekommen. Drum Bun. Alles passt. Hole meinen zweiten Kaffee, ja nein, Espresso. Die nächste Zigarette. Die Fliesen noch immer nicht getrocknet vom vorigen Abrechnungstag. Mehrere kommen. Zwei sehen aus, als hätten auch sie die Nacht geküsst. Der Streik ihnen aber scheinbar egal. Na und mir. Die Farben erwachen, die Musik lauter, der Tag beginnt.
Der zweite Kaffee viel besser, als der von gestern. Die Musik geht ins Herz, müsste man fast selbst am Rechner haben. Nur welcher Rechner? Das erste Lächeln. Die nächste Zigarette. Pfiffe, Brunstlaute, Klatschen, vermutlich beginnt hier gleich die längste Party der Welt. Der erste Zeitungsverkäufer und noch mehr gute Laune. Der blonde Wanderer, der erste Käufer. Draußen ist´s taghell. He ce faci?
Das CaffeRiver füllt sich und die Biere fließen. Es ist fünfuhrneunundzwanzig. Mitziehen oder kein Rumäne. Lux ex oriente.

   



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