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im web: Macht und Moneten
WIRTSCHAFT | INTERNET UND WIRTSCHAFT (15.01.2008)
Von Sarah Khalil
240 Millionen Dollar – so viel Geld hat Microsoft ausgegeben, um gerade mal ein Prozent der Internetplattform Facebook zu erwerben. Das erinnert an Zeiten der New Economy, als riesige Summen für vermeintlich sensationelle Firmen ausgegeben wurden, die sich nachher als wertlos herausstellten. „Facebook wird in den nächsten zwei Jahren die Mehrheit aller Nutzer an sich ziehen und damit so viel Macht bekommen wie die Suchmaschine Google“, behauptet Dr. Andreas Schelske.

Schelske ist Soziologe, Internetexperte und Inhaber der Kommunikationsagentur "4communications" in Hamburg. „Google hat Macht, weil es Rankings vergibt und die Menschen glauben, dass das, was oben steht, von allen Suchergebnissen das Wichtigste ist“, erklärt er. Sowohl Google als auch – noch deutlicher – Facebook zeigen den Wechsel von web 1.0 zu web 2.0. Ersteres funktioniert wie eine ganz normale Tageszeitung.
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Mit dem Datenfluss fließt auch jede Menge Geld. (c) pixelio.de

Ein Unternehmen mit Medienmacht produziert Inhalte, die dann nachgelesen, aber nicht beeinflusst werden können. Web 2.0 geht weg von diesem hierarchischen System. „Unternehmen wie z. B. Lego, Amazon. Google und Ebay haben einen Teil ihrer Produktionsmittel demokratisiert und so weit wie möglich den vernetzten Konsumenten übergeben“, skizziert Schelske ein wichtiges Kennzeichen des web 2.0. Das web 2.0 ist nicht mehr ein weltweites Netz, dass über den Menschen schwebt, sondern eines, das von ihnen mit geknüpft wird. „Soziale Netzwerke wie Facebook oder Myspace nehmen die Angst vor dem Informationszeitalter. Sie geben den Eindruck, die Menschen könnten den Computer kontrollieren.

Statt Meinungsbildung will das Internet der zweiten Generation Willensbildung erreichen und die Menschen mit einem Ziel zu gemeinsamen Aktionen anspornen. Die erfolgreichste Aktion dieser Art ist Wikimedia. Eine internationale Nichtregierungsorganisation, die es sich zum Ziel gesetzt hat, das Wissen von Experten und Zensur zu befreien und stattdessen von der Masse organisieren zu lassen. Das Motto lautet: „Wir haben das Wissen der Welt – auch deins.“ Die Erfinder von Wikipedia behaupten sogar: Man wird sich an uns ebenso erinnern wie an die Bibliothek von Alexandria, berichtet Schelske und fügt schmunzelnd hinzu, es gebe da nur ein Problem: Man könne sich zwar an die Bibliothek erinnern, aber nicht an das, was drinsteht. Mit dem web 2.0 geht die Medienwelt wieder zurück zur oralen Kultur.

Nutzer haben im Web 2.0 die Macht – Unternehmer schauen in die Röhre

Nach Meinung von Experten ist der Verlust dieses Wissens vielleicht gar nicht so groß. Sie kritisieren Wikipedia, eben weil die Internetseite so demokratisch ist. Experten, die das wahre Wissen über ein Thema besitzen, könnten leicht überstimmt werden und die Wahrheit daher nicht verbreiten. „Wer behaupten möchte, dass in der Wikipedia-Enzyklopädie nicht die wissenschaftliche Wahrheit über die Welt geschrieben steht, hat zwar Recht, aber gleichzeitig übersehen, dass im demokratischen Wissen viele unterschiedliche Welten nebeneinander existieren, die dem Diktat der Experten nicht gehorchen wollen“, sagt Schelske. Kurzum: Wikipedia ist weniger ein Lexikon, das die Wahrheit formuliert, sondern eine Plattform, auf der sich Menschen mit den gleichen Interessen organisieren. Und genau das macht den Netcitizen des web 2.0 aus: Er bestimmt selbstständig, was er wissen, produzieren und konsumieren will. Dieses Wissen kann für manche Firmen eine wahre Goldgrube. Mussten sie bisher durch komplizierte Umfragen herausfinden, was der Kunde will, produziert er jetzt einfach mit. Bei Lego zum Beispiel können Kunden ihre eigenen Maschinen erfinden, die das Unternehmen dann produziert und verkauft. Das Ziel der Firma lautet: „Die Arbeit machen die Kunden, die Ideen nutzen wir.“ Ähnlich funktioniert Second Life – eine virtuelle Welt, in der der reale Handel längst Einzug gehalten hat.

Die Zukunft liegt im Web 3.0, denn „es lässt sich leichter kommerzialisieren“

Doch diese Strategien sind Ausnahmen. Generell ist es schwer, das web 2.0 zu kommerzialisieren und gerade das macht seinen Reiz für den Nutzer aus. „Die Hoffnung, über das soziale Kapital an das ökonomische zu kommen, hat sich nicht erfüllt“, sagt Schelske. Deshalb treiben Unternehmen derzeit das mobile web 3.0 voran. Die Grundidee der dritten Internetgeneration ist, dem Nutzer passgenaue Informationen auf das Handy zu liefern – genau dann und dort, wo er sie benötigt. „Ich sehe also künftig auf meinem Handy, wo meine Freunde in der Stadt sind, oder wo ich etwas bestimmtes kaufen kann“, erklärt Schelske. Natürlich können die Menschen auch über das web 3.0 kommunizieren, doch generell ist das neueste aller Netze passiv. Es zeichnet zum Beispiel Bewegungsprofile von Menschen auf, um ihm dann zum passenden Zeitpunkt zu sagen, wann, wo in seiner Nähe ein Bus fährt. Diese Funktion hält Schelske noch für sinnvoll. Was andere Feature des web 3.0 angeht, ist er skeptischer. So speichert das web 3.0 eine Identität des Nutzers nicht nur anhand der Seiten, auf denen er surft, sondern auch anhand der realen Orte, die er besucht. Der letzte Schritt zum gläsernen Bürger wäre damit getan. Theoretisch soll der Nutzer des web 3.0 dem entgegen treten können, indem er seine Daten selbst verwalten kann. Doch ob das noch im Interesse der Erfinder des web 3.0 ist, bleibt abzuwarten. Sicher ist, dass sich mit der nächsten Generation des Internets große Geschäfte machen lassen. „Es lässt sich leichter kommerzialisieren“, so Schelske. Der jüngste Verkauf der Plattform Facebook lässt den Umfang dieser Geschäfte nur erahnen.

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