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Die braune Taube
KULTUR | HAUPTSTADT (15.04.2005)
Von Michaela Bochus
Wisst ihr - in meinem Hinterhof, dem grünsten von Berlin, gibt es eine Menge Vögel, was ich von Anfang an sehr erstaunlich fand. Und die kleinen Flieger scheinen sich auch noch wohl zu fühlen, wenn ich ihr Balgen, Zetern und alles andere, was sie im Laufe eines Tages so veranstalten, richtig deute.

Unter all den lärmenden Spatzen und kämpferischen Elstern gibt es auch ein paar leise Tauben. Ich denke, es sind Tauben, auch wenn sie irgendwie schmaler und kleiner sind als üblicherweise Stadttauben auf den Plätzen und Bahnhöfen der Großstädte. Eine von ihnen - sie ist hellbraun und besonders zierlich - sitzt seit einiger Zeit immer öfter und regelmäßiger auf dem Baum vor meinem Fenster. Sie ist mir früher nie aufgefallen - ich denke, sie ist wohl neu hier im Hinterhof. Manchmal sitzt sie zusammengekauert schläfrig stundenlang auf einem Ast und wechselt diesen nur, wenn ich den Raum wechsle ein paar Äste weiter nach links oder nach rechts, je nachdem ob ich mich länger in der Küche aufhalte oder im Wohnzimmer.
Heute - ich saß gerade vor meiner digitalen Schreibmaschine - kam sie wohl nur kurz mal vorbei, schaute nach dem rechten, reckte, drehte den schlanken braunen Hals und wackelte mit dem Kopf als suche sie etwas bestimmtes. Ich ging hinaus auf den Balkon und fragte leise, warum es mir nur so vorkäme, dass sie mich nicht aus den Augen verlieren wolle. Oftmals sehe ich sie wahrscheinlich gar nicht, obwohl sie auf ihrem Platz ist. Als ich sie so ansah und ein Foto machen wollte, damit - wenn sie einmal nicht mehr auftauchen sollte - ich etwas von ihr hätte. Vorhin also hatte ich das Gefühl, sie passt einfach auf mich auf, ganz vorsichtig, nur ein bisschen und darum schaut sie hier regelmäßig unregelmäßig ab und an oder auch mal öfter an meinen Fenstern vorbei. Da wurde mir ganz friedlich und warm, egal, was nun dran ist oder nicht. Im Moment ist sie nicht sichtbar da draußen, aber es wird ja auch schon langsam dunkel über Berlin.

Zwei Wochen später ...
Die Taube ist ausgeflogen. Nein, sie hat sich nicht den Flügel gebrochen und wurde von mir gepflegt und gezähmt, sie hat sich auch nicht verwandelt in Märchengestalt. Sie ist einfach weg. Vielleicht hat sie sich einsam gefühlt oder doch einen noch grüneren Hinterhof gefun-den oder einen anderen Menschen mit einem spannenderen Leben, den sie jetzt beobachtet. Romantik hin oder her - ich habe zum Glück damals doch ein Photo gemacht. Draußen werden die Bäume grün, Blüten sprießen. Sie fehlt mir, doch ich versuche, nicht zuviel darüber nachzudenken, sonst käme ich noch auf die Idee, ihr wahrscheinlich völlig normales Auftauchen und plötzliches Verschwinden als schlechtes Omen zu deuten und so was führt zu einer schlechten Ausstrahlung und die ist hemmend in dieser Stadt. Menschen mit offensichtlichen Problemen gibt es genug, für ein erfolgversprechendes Lächeln brauchst du, brauche ich den erfolgreichen lächelnden Blick, wie auch immer der aussieht. Ich werde noch üben müssen ...
   








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