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Die Vorrunde: Wenig Zauber, viel Kampf
SPORT | FUSSBALL WM 2010 (26.06.2010)
Von Ronald Hild
Uff, die Vorrunde ist geschafft. Zeit, aufzustehen, den Abdruck vom Hintern im Sofa zu bestaunen, neue Chips- und Biervorräte anzuhäufen, erschrocken festzustellen, wie groß die Kinder geworden sind – und natürlich Zeit, die Vorrunde Revue passieren zu lassen.

Einiges ist geschehen, in den bisherigen zwei Wochen des Turnierverlaufs. Auch wenn man sich als interessierter Zuschauer des Eindrucks nicht erwehren kann, dass die spielerische Klasse der bisherigen Partien viele Wünsche offen lässt, so ist die WM in jedem Fall spannend, emotional und in hohem Maße überraschend. Der Weltmeister und der Vizeweltmeister 2006 scheiden bereits in der Vorrunde aus – beide als Gruppenletzter. Beide Teams gehörten zwar nicht zum Kreis der engeren Titelanwärter, ein derart frühes Ausscheiden war jedoch nicht zu erwarten. Während sich Italien mit einer Ansammlung alternder Stars nur sportlich blamierte und in der italienischen Presse beschimpft wird, war der Gesamtauftritt der Franzosen einfach nur peinlich. Ohne Esprit, ohne Siegeswille, ohne Konzept präsentierte sich der Weltmeister von 1998. Die Equipe Tricolore schien gegen den Trainer zu spielen, Domenech selbst agierte unglücklich. Stürmerstar Thierry Henry durfte nur wenig spielen, ohne ihn war die Offensive kaum existent, einzig Franck Ribery war bemüht.

Der eine oder andere Fan wird gedacht haben, dass Irland den Startplatz bei der WM besser genutzt hätte, als diese Franzosen.

Unterschiede im Weltfußball geringer geworden

Allgemein lassen sich nach der Vorrunde einige Trends feststellen. Die großen europäischen Mannschaften schwächeln, mit Ausnahme der Niederlande. England qualifiziert sich mit Mühe, Deutschland zittert sich ins Achtelfinale, der Europameister Spanien quält sich in die nächste Runde. Erklärt werden könnte diese Tendenz mit der Tatsache, dass die Spieler meist eine lange Saison mit vielen Spielen in den Ligen und internationalen Wettbewerben in den Beinen haben. Es spricht jedoch mehr für die Annahme, dass die Unterschiede im Weltfußball geringer geworden sind. Mannschaften, die vermeintlich als Underdogs gehandelt werden, machen die fehlende individuelle Stärke durch Einsatzbereitschaft und Geschlossenheit wieder wett.
Allen voran die Asiaten zeigen, dass Fußball ein Mannschaftssport ist. Japan und Südkorea setzten sich gegen stärker eingeschätzte Mannschaften durch, beeindruckend vor allem der klare Erfolg Japans gegen die offensivstarken Dänen. Das Ausscheiden Nordkoreas verschlechtert die asiatische Bilanz nur unwesentlich.

Afrikanische Teams enttäuschen

Die erste Weltmeisterschaft auf dem afrikanischen Kontinent verläuft für die afrikanischen Mannschaften dagegen mehr als enttäuschend. Die Elfenbeinküste scheitert an der starken Gruppe, Kamerun konnte die eigenen Erwartungen nicht umsetzen, den Gastgebern aus Südafrika gelang zwar ein Achtungserfolg gegen desolate Franzosen, insgesamt fehlte dem Team jedoch die individuelle Klasse, ebenso wie Nigeria und Algerien. So ruhen die Hoffnungen des ganzen Kontinents nun auf den Schultern von Ghana. Ohne Zweifel haben die afrikanischen Teams im taktischen Bereich stark aufgeholt, die meisten Spieler sind zudem technisch hervorragend geschult – die große Schwäche liegt im Abschluss. Während Weltklassestürmer wie Drogba oder Eto`o nahezu aus allen Lagen auf das Tor schießen, versäumen ihre Kollegen oft, überhaupt mal abzuschließen. So ist es bezeichnend, dass Ghana seine beiden bisherigen Tore, die zum Weiterkommen reichen, per Elfmeter erzielte. Insgesamt gelangen den 6 afrikanischen Teams in 18 Spielen lediglich 14 Treffer, zu wenig für den eigenen Anspruch.

Kurios und schade ist, dass Neuseeland nach Hause fahren muss, ohne ein Spiel verloren zu haben. Die Kiwis sind sicherlich eine der Überraschungen dieser WM, mit viel Leidenschaft und Spaß am Fußball gelang es ihnen, in allen drei Partien ein Unentschieden zu erkämpfen.

Südamerikaner trumpfen auf

Den stärksten Eindruck hinterließen bisher die Südamerikaner. Argentinien und Brasilien zählten ohnehin zu den absoluten Topfavoriten, aber auch Paraguay und Uruguay beendeten die Vorrunde ungeschlagen als Gruppensieger, Chile belegt nur aufgrund des schlechteren Torverhältnisses Platz 2 hinter Spanien. Von den 15 Partien mit südamerikanischer Beteiligung verloren die Lateinamerikaner ein einziges (Chile gegen Spanien 1:2). Die USA, die ebenfalls als Gruppenerster ins Achtelfinale einziehen und Mexiko komplettieren die amerikanische Phalanx.

So nüchtern sind die Ergebnisse, aber wer machte spielerisch den besten Eindruck? Portugal erzielte gegen Nordkorea zwar 7 Tore, ohne jedoch wirklich spielerisch zu überzeugen. Brasilien, Argentinien und Holland deuteten ihr Potential nur ansatzweise an, Spanien agierte zu selbstgefällig, ließ aber gegen Chile erkennen, wozu das Team in der Lage ist.
Insgesamt war die Vorrunde geprägt von wenig Zauber – sogar die Samba-Kicker vom Zuckerhut ließen sich von Coach Dunga in ein taktisches Korsett zwängen – dafür viel Kampf und Defensive.
Und jetzt noch ein letztes Mal aufs Klo gehen und dann wieder Platz nehmen für das Achtelfinale, unter anderem mit den Krachern Deutschland gegen England und Spanien gegen Portugal.
   

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