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Die Nacht des Gleitens
SPORT | EXTREMSPORT (15.01.2005)
Von Frederik Werner
Neulich habe ich einen Film entdeckt, eine französische Doku von Thiery Donard, die sich "La nuit de la glisse" nennt. Sie bringt uns Extremsportarten wie Paragleiten, Windsurfen, Ski und Snowboard fahren näher. Es geht um wundervolle Bilder, die den perfekten Moment einfangen sollen.

Der Film ist 2004 erschienen und Teil einer Reihe, welche seit 2001 jährlich erscheint und bis auf 2002 auch in den deutschen Kinos lief. Als leidenschaftlicher Skifahrer, hat mich die Darstellung des Skifahrens besonders beeindruckt und somit habe ich mir erlaubt, mich auf das Freeskiing zu konzentrieren. Sicher fahre ich nicht annährend so wie diese Leute. Ich muss mich doch eher als konventioneller Skifahrer einstufen und doch kann ich mich in die Philosophie dieser erlesenen Gesellschaft hineinversetzen und davon träumen, einmal im Leben so einen Berg hinab zu gleiten.

Wir befinden uns mitten in der kalten Jahreszeit. Alle Welt freut sich auf die ersten sonnig, warmen Frühlingstage. Alle Welt hat das Schmuddelwetter, welches uns besonders in Mitteleuropa in den eigenen vier Wänden fesselt, gestrichen satt.

Betrifft das wirklich alle Menschen?

Nein, eine Gruppe von Leuten kommt erst in dieser Zeit aus den Löchern gekrochen und zieht es aus weit entfernten Gebieten wie Alaska, Kanada, aber auch Hawaii und den Malediven nach Europa. Um genauer zu sein, haben sie die gleichen Ziele: die Berge Norwegens sowie die schweizer und die französischen Alpen sind das Mekka des Winters. Alle wollen Schnee, die höchsten Gipfel mit den steilsten und gefährlichsten Hängen. Sie sind immer auf der Suche nach dem absoluten Kick und dem ultimativen Vergnügen. Ihre größte Gemeinsamkeit besteht aus ein bis zwei High-Tech-Brettern unter den Füßen und der Liebe zum Extrem. Die Leidenschaft zum Extremski und Snowboardfahren weit ab zivilisierter, konservativer und touristischer Skigebiete und Snowboardparks stellt die große Herausforderung dar.

Für Menschen wie Xavier DeleRue, Lene Nordermoen, Xavier Troubat und Sverre Liliequist besteht kein Reiz am spießigen Skitourismus, der alljährlich die Alpen überflutet und das winterliche Hauptgeschäft der Alpenländer Schweiz, Frankreich, Italien und Österreich ist. Nein, sie suchen mehr. Sie wollen die Gefahr. Sie möchten, dass das Adrenalin in ihren Adern pulsiert. Ein hoher Berg, ein unberührter Tiefschneehang in steilstem Gelände und die nötige Ausrüstung ist alles, was sie brauchen. Vielleicht noch einen Helikopter. Denn auf diese Gipfel gibt es keine Gondeln. Straßen sind hier erst recht nicht zu finden.

Dann geht er los, der Spaß. Hinab mit hoher Geschwindigkeit durch Felsen und riesige Tiefschneefelder, die von Abgründen von weit mehr als zehn Metern Tiefe unterbrochen werden. Es geht in minutenlangen Abfahrten immer dem Tal entgegen. Aber trotzdem, so klischeehaft es klingen mag, zählt nicht das Ziel, sondern der Weg. Es ist nicht die Zeit, es ist der Style, der wichtiger ist als alles Andere. Dieser Kick besteht in den steilsten Hängen mit unzähligen Hindernissen. Diese zu bewältigen und anschließend zurückblicken können und sagen "Ja, das war ein richtig genialer Ritt." das ist es, was zählt. Die schönsten Schwünge, die schwierigsten Sprünge und das flüssige Kombinieren, darauf kommt es an.

All das weiß der Dokumentarfilm "La nuit de la glisse" so zu beschreiben, dass sich ein jeder in diese Skifahrer hineinversetzen kann und somit vielleicht annährend versteht, worin der Reiz für diese Extremsportler besteht. Nicht nur Ski- und Snowbordfahren zeigt der Streifen. Auch Wellenreiten und Kitesurfen werden in einer Art dargestellt, die fesselt und stark beeindruckt. An Traumstränden und Riffen spielen Leute wie Francoise Bon, Yves Burry, Chrisitian Nerdrum und Jean-Noel Itzstein, um nur einige zu nennen, mit dem Wind und dem Wasser. Andere Sportarten - Paragleiten, Kayakfahren und Skateboarden - werden auch erwähnt. Alles was Rande des Vorstellbaren liegt, hat Zugang in diese Doku gefunden.

"La nuit de la glisse" ist ein Bericht über Extremsport. Er besticht mit gewaltigen, atemberaubenden Bildern und tollkühnen, halsbrecherischen Aktionen ihrer Akteure, genau wie mit den perfekten Kamerafahrten, die nötig sind, um die Abfahrten in würdiger Qualität auf die Leinwand zu bringen. Außerdem braucht man noch fähige, sport- und filmerfahrene Leute, die mit modernster Technik ausgerüstet sind und es somit ermöglichen, dass sich ein solcher Film in Kinos gebührender Aufmerksamkeit erfreuen kann. Denn man darf auch nicht vergessen, dass dies kein Film über den populären Fußball ist, sondern über Sportarten, die in diesem Extrem ausgeführt zu den Randsportarten zu zählen sind. Hier stellt sich dann auch die Frage, ob es genau das ist, was diese Doku durchaus sehenswert macht. Vielleicht kann man anhand dieser großen Eindrücke ein wenig seinen eigenen Traum leben oder man lässt sich einfach nur berieseln und kann schwer begreifen, welcher Gefahr sich diese Freaks aussetzen. Nicht umsonst lässt es sich nur mit dem Wort extrem beschreiben. Denn in diesem Bereichen stößt der Mensch an die äußersten Grenzen seiner selbst, aber auch an die Grenzen, die Naturgewalten herauszufordern und zu bewältigen. Es ist die Rede von der physischen Leistungsfähigkeit des menschlichen Organismus. Aber auch die psychisch, mentale Belastbarkeit, die eine solche Grenzsituation mit sich bringt, ist eine nicht zu unterschätzende Komponente.

Wo in der Natur die Gefahr besteht, liegt quasi auf der Hand: Lawinen, felsige Abgründe, hohe Wellen mit gefährlichen Riffs und thermische Strömungen. Wie ein Surfer mit der Welle, ein Paragleiter mit der Thermik, genauso versucht ein Skifahrer mit dem Schnee zu spielen und somit spielt er mit der Lawine. Ist dieser Wahnsinn überhaupt zu rechtfertigen? Natürlich kann ein jeder nach seinem eigenem Abenteuer streben. Aber muss man dies auch noch in einem Kinofilm gipfeln lassen? Auch wenn in diesem Film die Gefahren durch Stürze und Lawinen aufzeigt und Lawinenhänge vor der Abfahrt gesprengt werden, so muss man dem Normalverbraucher dazu sagen, dass diese Art von Ski- und Snowboardvergnügen nicht ohne weiteres nachgeahmt werden sollte. Jeder sollte sein Können einschätzen lernen, damit nicht weiter Jahr für Jahr Schlagzeilen die Runde machen, wo es heißt, dass wieder Skifahrer durch Lawinen und Stürze zu Tode gekommen sind.

Alles in Allem lässt sich sagen, dass diese Dokumentation eine Faszination auf Freunde des Schnees ausübt und durch die absolut gigantischen Aufnahmen auch Nichtskifahrer durchaus begeistert. Das anschauen, zumindest auf DVD, lohnt sich auf jeden Fall. Für alle, die auf mehr Abenteuer von "La nuit de la glisse" warten, denen sei gesagt, dass voraussichtlich im Februar der aktuelle Film heraus kommt. Bleibt nur noch zu hoffen, dass dieser dann auch wieder in den deutschen Kinos erscheinen wird.
   



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