Mehr Ökologie bitte - ein Weckruf für die Grünen
POLITIK | BUNDESTAGSWAHL 2013 (01.10.2013)
Von Boje Maaßen | |
Die Grünen mussten bei der Bundestagswahl 2013 eine bittere Niederlage hinnehmen. Die Suche nach Ursachen und neuen Perspektiven führt zurück zu den Wurzeln der angeblichen Öko-Partei. Die Grünen und Du? - Das hat nicht funktioniert. (c) iley.de Mit der politischen Ökologie war eine Theorie entstanden, die die immer schwerwiegenderen Umweltprobleme nicht nur in ihrer Bedeutung für Menschheit und Erde thematisierte, sondern die Bedrohung mit einer eigenen Begrifflichkeit analysierte und angemessene Lösungen entwickelte. Analysen wie in "Die Grenzen des Wachstums" (Meadows), "Der geplünderte Planet" (Gruhl), "Prinzip Verantwortung" (Jonas) und "Small is beautiful" (Schumacher) führten zu sehr unterschiedlichen Praxisansätzen: Subsistenzwirtschaft, Land- und Stadtkommunen, Produktions- und Konsumgenossenschaften, alternative Verkehrssystem, aber vor allem Änderungen im privaten Konsumverhalten ergriffen die Bevölkerung und übrigens auch Teile der Medien. Regenbogenpartei Diese Position, Ökologie nicht nur oberflächlich oder als Nische, sondern als Fundament politischer Arbeit zu verstehen, war für viele Menschen hinreichend, eine grüne Partei zu gründen. Eine Partei, am besten eine Regenbogenpartei, wollten allerdings auch jene gesellschaftlichen Gruppierungen - von orthodoxen Marxisten bis hin zur Schwulenbewegung - die nicht vom Primat der Ökologie ausgingen, sondern diese für ihre Ziele nutzen oder bestenfalls als eine Teilmenge des politischen Programms gelten ließen. Die daraus sich ergebende "Doppelköpfigkeit" hatte zur Folge, dass ein ökologischer Politikbegriff nicht substantiell weiterentwickelt wurde, sondern alte Politikkonzepte revitalisiert wurden. Der Vorrang der Ökologie setzte sich nicht durch - der große Geburtsfehler der Grünen, der dazu führte, dass die innovative Kraft der politischen Ökologie erlahmte. Wahlkampfthema verfehlt Diese Ambivalenz ermöglichte es auch, dass in der Bundestagswahl die Partei der Grünen ohne bemerkenswerten innerparteilichen Widerstand die materielle Ungleichheit in der Gesellschaft und nicht die Ökologie zur Basis ihres Wahlkampfes machen konnte. Die Beseitigung dieser Ungleichheit ohne Berücksichtigung ökologischer Grenzen ist seit jeher das Defizit der SPD und der Linken. Sie sind mit diesen Forderungen das Original, und das haben viele Wähler erkannt und sich von den Grünen abgewandt. Die Grünen haben erst dann eine wahrhaftige Existenzberechtigung, wenn sie vom Primat der Ökologie ausgehen. Allerdings zu denken, dass alle politischen Forderungen aus der Ökologie ableitbar wären, wäre Ausfluss eines falschen Bewusstseinsein, das zu verhängnisvollen Einschätzungen und Fehlern führen würde. Eine ökologische Politik muss, um nicht zu einer Ideologie zu werden, die Grenzen ihrer Politik aufzeigen. Diese Grenzlinie zu bestimmen, ist eine nicht weniger wichtige Aufgabe, als den Vorrang der Ökologie zu behaupten. Hier ist sicherlich für ökologische Politik noch sehr viel Arbeit zu leisten. Übrigens stehen vor diesem Problem alle Parteien, seien sie christlich, sozial oder liberal. Modernisierung der Gesellschaft Ökologische Politik ist offen für ökologische Potentiale traditioneller Lebensweisen und verteidigt die humanen und demokratischen Werte der Moderne. Aber die "Modernisierung der Gesellschaft" (Katrin Göring-Eckardt)) muss inhaltlich bestimmt werden, unbestimmt bleibt diese Forderung ein reiner und leerer Abwehrbegriff. Inhalte wären: mehr direkte Interaktionen zwischen Menschen, mehr Eigenbewegung, mehr Hochkultur als Orientierung, mehr alternative Lebensweisen, mehr Natur- und Klimaschutz, mehr Nachhaltigkeit, mehr Regionalismus, mehr alternative Energien, mehr individuelle Verantwortung und Verantwortung der Strukturen, aber weniger Unterhaltungsmedien, weniger Autos, weniger Motoreneinsatz, weniger Fernreisen innerhalb eines kurzen Zeitraums, weniger Verbrauch von Energie und Materie, keine Erzeugung von Atomstrom. Hier wird deutlich, dass ökologische Politik wesentlich mehr ist als Energiepolitik. Politische Ökologie fragt "Was braucht der Mensch?". Politische Ökologie geht davon aus, dass große Teile des Konsums und die auf Motoren fixierte und abhängige Existenzweise die Entwicklung körperlicher und geistig-seelischer Fähigkeiten des Menschen be- und verhindert. Politische Ökologie unterstützt nicht die Verdinglichung des Lebens. Politische Ökologie ist gut beraten, möglichst nicht zu verbieten und vorzuschreiben, sondern in aller Deutlichkeit die wunderschönen Dimensionen des Lebens herauszustellen und die Widersprüche und Idiotien der Gegenwart zu benennen. Sie vertraut den Lernprozessen. Schwarz-Grün nicht ausschließen Dass einige dieser Forderungen in den letzten vierzig Jahren eher mit der SPD als mit der CDU zu erreichen waren, ist nicht zu bestreiten. Daraus aber ein ewig gültiges Gesetz abzuleiten, wäre falsch. Schließlich hat Bundeskanzlerin Angelika Merkel innerhalb der CDU einige Akzente, insbesondere in der Energiepolitik, gesetzt, die von Seiten der Grünen nicht stereotype Anti-Reaktionen verlangen. In diesem begrifflichen Gefängnis, das eine vorurteilsfreie Analyse für die jeweils beste Durchsetzung ökologischer Ziele verhindert, befinden sich noch viele Grüne - auch ökologisch denkende Grüne, sei es aus Unwissenheit, aus falscher Solidarität oder aus mangelndem Mut, den Not wendenden Vorrang der Ökologie offensiv zu vertreten. Unser Autor Boje Maaßen war von 1978 - 1982 Fraktionsvorsitzender der Grünen Liste im Kreistag von Nordfriedland und Spitzenkandidat der Grünen in der Landtagswahl Schleswig-Holstein 1983. Kurz danach verließ er die Grünen, weil sie vom Primat der Ökologie abfielen. |